Tüv Süd leitet erfolgreichen Turnaround in Böhlen
01.03.2016 -
Beim 95-Mio.-EUR-Turnaround im Chemiewerk Böhlen war neben genauer Planung, Ausführung und Fachwissen vor allem Erfahrung gefragt: Die Sicherheitsprüfungen durch TÜV Süd Chemie Service sowie Instandhaltungsarbeiten und Erneuerungen betrafen Bauteile, die bis zu 40 Jahre alt sind. Doch das Alter einer Schweißnaht sagt noch nichts über ihre Festigkeit aus.
Am Chemiestandort Böhlen kommt das Rohöl direkt aus dem Rostocker Hafen über eine mehr als 430 km lange Pipeline. Im Cracker wird dann in 15 Brennöfen Rohbenzin bei rund 800°C in Kohlenwasserstoffverbindungen wie Ethylen oder Propylen aufgespalten. Er versorgt die Werke und Anlagen in Schkopau und Leuna mit Vorprodukten, die dort zu hochwertigen Kunstoffen weiterverarbeitet werden. Damit ist der Cracker das Herzstück des Olefinverbundes von Dow in Mitteldeutschland. Innerhalb des Werks in Böhlen sind ebenfalls verschiedene Anlagen auf den Cracker angewiesen. Unter anderem erzeugt er den Prozessdampf für weitere Anlagenteile, was eine Besonderheit dieses Werks ist. Die anderen Anlagen und Anlagenteile müssen also bereits abgeschaltet sein, bevor der Cracker gewartet werden kann.
Erfahrung zählt
Neben Erfahrung ist Kooperation von größter Bedeutung. Die Fachleute der verschiedenen Gewerke und Firmen nehmen gemeinsam die betroffenen Teile der Anlage komplett auseinander, prüfen, ersetzen Teile und bauen dann unter strengsten Qualitäts- und Sicherheitsauflagen alles wieder zusammen. Damit alles reibungslos funktioniert, war auch bei diesem verhältnismäßig kleinen Turnaround eine umfangreiche Planung erforderlich. In mehr als 24 Monaten wurde alles abgestimmt und in einem komplexen Projektplan festgehalten. 1.500 Jobs mit insgesamt 15.000 Sequenzen, also einzelnen Tätigkeiten, musste das Team koordinieren. Ob der Plan bezüglich Sicherheit und Effektivität eingehalten wurde, wird jeden Abend kontrolliert. Für jede Abweichung muss es gute Gründe geben, denn das Projekt verursacht hohe Kosten: Während das Werk sonst pro Tag rund eine Mio. EUR umsetzt, bedeuten 50 Tage Stillstand auch 50 Mio. EUR ausgefallenen Umsatz. Dazu kommen die Instandhaltungskosten von 42 Mio. EUR sowie 3 Mio. EUR für technische Innovationen, wie die schrittweise Einführung eines neuen Prozessleitsystems. Insgesamt kostet der Turnaround also rund 95 Mio. EUR.
Sicherheit durch Erfahrung
Der Diplomingenieur Olaf Fuchs koordinierte die Prüfarbeiten. Beim Turnaround steuerte er vor Ort die insgesamt 13 Experten aus Schkopau, Frankfurt und Dormagen. Die meisten seiner Mitarbeiter hier sind über 40 Jahre alt. Ohne die jahrelange Praxiserfahrung in der chemischen Industrie könnten die Mitarbeiter z.B. die Korrosionsbilder nicht richtig einstufen. „Eine Schweißnaht von damals ist nicht mit einer Automatennaht von heute vergleichbar“, erklärt Fuchs. Das bedeute aber noch lange nicht, dass sie nicht mehr integer sei. Sicherheit wird großgeschrieben. Als „legal related“ sind die Prüfungen gesetzlich gefordert, weswegen sie höchste Priorität haben. Bei diesem Turnaround machten sie 80% der Arbeitspakete aus. Dazu gehörte u.a. das Korrosionsmonitoring. (op)
„Traditions-Chemiewerk bei Leipzig“
Das Chemiewerk in Böhlen wurde 1921 gegründet. Heute erstreckt es sich über eine Fläche von 320 ha und gehört dem Dow Olefinverbund, einer Tochter der amerikanischen Dow Chemical Company. Sie betreibt in Mitteldeutschland neben Böhlen Produktionsstandorte in Leuna, Schkopau und Teutschenthal. 1.700 Mitarbeiter sind an diesen Standorten beschäftigt. Das Werk in Böhlen umfasst besonders viele Freiflächen, was die Turnaround-Zeit auf die warmen Jahreszeiten eingrenzt.