Der Industrieverbund MEDIclean
Reinigungs- und Reinheitsvalidierung von Medizinprodukten
Medizintechnikunternehmen müssen gesetzlich für Ihre Produkte sicherstellen, dass Risiken für die Patienten bei bestimmungsgemäßer Anwendung ausgeschlossen werden können. Im gleichen Zug sind Sie für ihre Produkte haftbar. Aus solchen sehr pauschalen, rechtlichen Vorgaben leiten sich unmittelbar auch Anforderungen an die Reinheit der Medizinprodukte ab [1].
Neben biologischen Kontaminationen sind in Zusammenhang mit der Reinheit von Medizinprodukten auch chemische/filmische Kontaminationen
(29 %) sowie Partikel (27 %) als kritisch anzusehen, wie in einem offen Industrie-Workshop mit führenden Unternehmen der Medizintechnik am Fraunhofer IPA herausgearbeitet werden konnte.
Problematisch in diesem Zusammengang ist, dass weder die Akzeptanzkriterien noch die einzusetzende Prüftechnik und Analysegerätschaften gesetzlich oder auch normativ ausreichend geregelt sind.
Die Medizintechnik-Unternehmen im Spannungsfeld
Im Spannungsfeld zwischen Produkthaftung einerseits und Normungsvakuum andererseits sind die Medizintechnikunternehmen, aber auch die benannten Stellen, auf sich selbst gestellt. Der eigenverantwortliche Umgang mit dem Thema Reinheit führt dazu, dass die unterschiedlichsten Sauberkeitsspezifikationen und Nachweiseverfahren zur Anwendung kommen. Durch das Fehlen eines medizintechnikspezifischen Regelwerks, greifen die betroffenen Unternehmen häufig auf Gesetzeswerke und Normen aus anderen reinheitskritischen Branchen, bspw. der Pharmazie, zurück – ohne diese zu hinterfragen und ausreichend anzupassen. Hoher Aufwand, unnötige Kosten und teils zu ambitionierte Grenzwerte bei gleichzeitig geringer Aussagekraft der Analyseergebnisse sind nicht selten die Konsequenz.
Die Festlegung einer einheitlichen und im Idealfall international verbindlichen Vorgehensweise zur Regelung der Reinheits- und Reinigungsvalidierung ist unverzichtbar und bringt für alle Beteiligten große Vorteile mit sich:
- Zulassungsaspekte aus Sicht der Reinheits- und Reinigungsvalidierung werden sowohl für Medizintechnikunternehmen als auch für die Zulassungsstellen transparent und nachvollziehbar.
- Medizintechnikunternehmen müssen einheitliche Standards erfüllen und damit einen vergleichbaren Aufwand für Reinheits- und Reinigungsvalidierung betreiben.
- Dem Patienten wird eine stabile, gleichbleibende und nach anerkanntem Stand der Technik bestmögliche Qualität von Medizinprodukten aus Reinheitssicht garantiert, unabhängig von Hersteller und Zulassungsstelle.
Lösungsweg: Bearbeitung der drängendsten Fragenstellungen in einem Industrieverbund
Ein weiteres Ergebnis des o. g. Industrie-Workshops war der dringende Wunsch der betroffenen Medizintechnikproduzenten, das Heft des Handelns nun endlich selbst in die Hand zu nehmen und aktiv die Standardisierung voranzutreiben. Für die Lösung solcher Aufgaben hat sich der Zusammenschluss betroffener Unternehmen zu einem Industrieverbund in der Vergangenheit bereits mehrfach bewährt. Die Vorteile für die beteiligten Unternehmen liegen auf der Hand:
- Ein längst überfälliger, fachlicher und offener Dialog ausschließlich im Kreis von Medizintechnikproduzenten sowie Wissensaustausch zwischen den Teilnehmern im Verbund beginnt und führt zu einer effizienten Bearbeitung (»Kommunikations-Plattform«).
- Eigene Ansätze können in die Diskussion mit den anderen Teilnehmern eingebracht werden und damit in die Lösungsfindung einfließen (»Meinungsbildungs-Plattform«).
- Die gemeinsam erarbeiteten Lösungen werden von allen Beteiligten mitgetragen (»Konsensprinzip«).
- Auch außerhalb des Verbunds stoßen die erarbeiteten Lösungsansätze auf eine breite Akzeptanz, da die relevanten Medizintechnik-Unternehmen selbst die Lösungsfindung initiiert und vorangetrieben haben (»Hebelwirkung«).
Die Gründung des Industrieverbunds MEDIclean
Um praktikable und damit von allen Unternehmen akzeptierte Vorgehensweisen und Akzeptanzkriterien zu erhalten, bildet der ALARP-Gedanke (»as low as reasonably possible«) die Grundlage der Arbeit und Entscheidungen des Industrieverbunds. Die Bearbeitung der Fragestellungen erfolgt dabei im Wesentlichen in zwei Schritten:
- In einer Status-Quo-Zustandsanalyse wird die aktuell in den Unternehmen zur Anwendung kommenden Reinheits- und Reinigungsvalidierungspraxis (Normen, Nachweismethoden, Akzeptanzkriterien, …) ermittelt, die als Grundlage zur weiteren thematischen Ausrichtung des Industrieverbunds herangezogen wird.
- In einer Konsolidierungsphase werden gemeinsam Ansätze zur Ableitung von Akzeptanzkriterien sowie geeigneter Nachweismethoden erarbeitet und in einem Positionspapier zusammengefasst.
Auf Grundlage des Positionspapiers wird ein mögliches, weiteres Vorgehen definiert (z. B. Kontaktaufnahme mit benannten Stellen, nationale und internationale Standardisierungsarbeit, …).
Die nächsten Schritte
Nach seiner Konstituierung am 26. März 2015 hat der Industrieverbund MEDIclean seine Arbeit aufgenommen, um den Stand der zur Anwendung kommenden Praxis in der Reinigungs- und Reinheitsvalidierung im Medizintechnikbereich zu ermitteln.
Aktuell arbeiten die folgenden Unternehmen am Verbund mit:
- aap Implantate AG
- Aesculap AG
- B. Braun Melsungen AG
- ALTATEC GmbH
- Bauer und Häselbarth-Chirurg GmbH
- CARAG AG
- Dentsply Implants Manufacturing GmbH
- Dräger Medical GmbH
- ERBE Elektromedizin GmbH
- Henke-Sass, Wolf GmbH
- k2 medical GmbH & Co KG
- Karl Storz GmbH & Co. KG
- Lutz GmbH & Co. KG
- Natural Dental Implants AG
- Olympus Surgical Technologies Europe
- Peter Brehm GmbH
- Richard Wolf GmbH
- sfm medical devices GmbH
Die Ergebnisse werden am 12. November 2015 in einem Arbeitstreffen am Fraunhofer IPA in Stuttgart den Verbundteilnehmern vorgestellt.
Auf den Ergebnissen basierend wird gemeinsam entschieden, wie die drängendsten Fragestellungen bearbeitet werden sollen (bspw. Gründung von Arbeitskreisen, …).
Wenn auch Sie Interesse an einer Verbundteilnahme haben oder weitere Informationen zum Verbund erhalten möchten, können Sie gerne mit uns Kontakt aufnehmen.
Literatur
- [1] Medizinproduktegesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 2002 (BGBl. I S. 3146), das zuletzt durch Artikel 278 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist
- [2] Verl, Alexander (Hrsg.); Bauernhansl, Thomas (Hrsg.) ; Verein zur Förderung Produktionstechnischer Forschung e.V. -FpF-, Stuttgart ; Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung -IPA-, Stuttgart: Braucht die Medizintechnik neue Ansätze für die Reinheitsvalidierung?: Der Dialog beginnt. Workshop, 3. Juli 2014, Stuttgart. Stuttgart, 2014
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