Emotionalisierung als Wettbewerbsstrategie?
Studie zur Wirkung emotionaler Kommunikation bei Bayer Technology Services
Industriegütermärkte für bspw. Maschinen, Anlagen und technische Dienstleistungen sind von einer starken technologischen und rationalen Affinität geprägt. Marktgegebenheiten wie hohe Marktsättigung, geringe Produktdifferenzierung, Reizüberflutung der Entscheidungsträger sowie stärkerer Wunsch nach kognitiver Entlastung führen zu einer zunehmenden Emotionalisierung der Kaufentscheidung. Daher werden die mit einem Unternehmen verbundenen Emotionen zu Differenzierungskriterien.
Zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen ist die Kommunikation von Emotionen unabdingbar. Doch wie wirkt emotionale Kommunikation auf industrielle Kaufentscheider, deren Arbeitsumfeld von rationalen Fakten geprägt ist? Dies wurde im Entscheidungsumfeld von Bayer Technology Services untersucht.
Emotionen und Industriegütermärkte - ein Widerspruch?
Industrielle Kaufentscheidungen sind risikobehaftet und von spezifischer Unsicherheit gekennzeichnet, da sie einen bedeutsamen wirtschaftlichen Einfluss auf das Unternehmen haben können. Zudem prägen Kosten und Zeitdruck das Geschäftsumfeld. Aus diesen Gründen sind industrielle Kaufentscheidungsprozesse von einer gruppenbedingten Rationalisierung (Versachlichung und Formalisierung) geprägt. Daher hält sich die Vorstellung eines rational agierenden industriellen Entscheiders hartnäckig.
Das Entscheidungsumfeld von Industriegütermärkten ist jedoch emotionaler geprägt als angenommen. Bspw. spielen in Kaufentscheidungsprozessen häufig lange Geschäftsbeziehungen und emotionale Bindungen zu Geschäftspartnern eine wichtige Rolle. Daher sind Emotionen auch bei Capital Expenditure Investitionen im Beauftragen von technischen Dienstleistungen (z.B. Engineering) bedeutsam. Emotionen können dabei die Entscheidungssituation beeinflussen und gegebenenfalls entlasten. Aus diesem Grund kann das gezielte Auslösen von positiven Emotionen innerhalb einer risikobehafteten Kaufentscheidung von Vorteil sein.
Wirkung von Emotionalisierung auf Industriegütermärkten
Emotionen sind innere Erregungszustände, die als angenehm (z.B. Freude) oder unangenehm (z.B. Panik) empfunden werden.
Angenehm empfundene Emotionen können eine bestimmte Sicherheit im Rahmen des Kaufprozesses hervorrufen. Eine Marketingkommunikation (MK), die stärker emotional wirkt, schafft Vertrauen und kann das Gefühl stärken, die richtige Kaufentscheidung getroffen zu haben. Emotionalisierung kann demnach das wahrgenommene Risiko reduzieren.
Des Weiteren stellen Emotionen einen Teil des wahrgenommenen Nutzens dar, auch „emotionaler Zusatznutzen“ genannt. Je höher die angenehm empfundene Emotion, desto höher ist der wahrgenommene Nutzen z.B. einer Engineering-Leistung. Folglich wird das Unternehmen als die attraktivere Kaufalternative betrachtet.
Emotionen können auch als Informationsquelle für die Bewertung von Objekten und Sachverhalten dienen. Eine MK, die positive Emotionen auslöst, kann demnach zu einer besseren Bewertung des Unternehmens führen. Diese Bewertung wirkt sich dann auf die spätere Kaufentscheidung aus.
Das Experiment
Mit einer emotionalen Marketingkommunikation wird das Ziel verfolgt, einen in der Wahrnehmung der Entscheider emotionalen Zusatznutzen zu schaffen. Die Attraktivität einer Kaufalternative kann neben rational-funktionalen Merkmalen (z.B. Preis, Qualität) durch emotionale Kommunikation beeinflusst werden. Zur Schaffung eines emotionalen Zusatznutzens ist jedoch ein zielgruppenspezifisches Verständnis der emotionalen Wahrnehmung der Entscheider notwendig. Daher wurde folgende Forschungsfrage abgeleitet:
Wie wirkt eine emotionale Marketingkommunikation auf Kunden und Mitarbeiter von Bayer Technology Services?
Für die Überprüfung wurde ein fiktiver Internetauftritt ausgewählt, der in der heutigen Zeit die wichtigste Plattform für den Kontakt mit Kunden, Bewerbern und Märkten ist: die Unternehmensseite. Daher erfolgte die Erstellung von neun verschiedenen Webseiten, welche sich allein durch die grafische Gestaltung voneinander unterscheiden. Die Webseiten wurden in drei Kategorien eingeordnet.
- Rationale Ansprache (Abb. 1)
- Emotionale Ansprache (Abb. 2)
- Emotionale & Rationale Ansprache (Abb. 3)
Während die rationale Ansprache hauptsächlich aus hellen Farben, Bullet Points, Textblöcken und Grafiken bestand, wurden bei der emotionalen Ansprache mehr Bilder und Farben eingesetzt. Die emotionale & rationale Ansprache stellt eine Kombination aus beidem dar.
Ergebnisse der Untersuchung
Entstehen von Emotionen: Die Ergebnisse zeigen, dass die Unternehmensauftritte bei den Befragten unterschiedliche Emotionen auslösten. Bei der emotionalen & rationalen Marketingkommunikation empfanden die Befragten die höchsten Emotionen (Abb. 4). Die Emotionalisierung konnte demnach genutzt werden, um die Gefühlswelt der industriellen Entscheider zu beeinflussen. Mit stärkerer Berücksichtigung von emotionalen Elementen empfanden die Befragten 65% mehr positive Emotionen als bei einem rationalen Unternehmensauftritt (Anstieg von der rationalen MK zur emotionalen & rationalen MK, Abb. 4)
Einfluss von Emotionen: Des Weiteren übten die empfundenen Emotionen einen Effekt auf das wahrgenommene Risiko, die Bewertung und Kaufentscheidung der industriellen Entscheider aus. Die stärkere Berücksichtigung von rationalen Elementen resultiert in …
- … einem 27% höheren Sicherheitsgefühl (Abb. 5)
- … einer 35% höheren wahrgenommenen Kompetenz
- … und einer 38% höheren Kaufbereitschaft (Anstieg von der emotionalen MK zur emotionalen & rationalen MK)
Mit stärkerer Berücksichtigung von emotionalen Elementen steigt…
- … der wahrgenommene Nutzen um 124%
- … die wahrgenommene Professionalität um 32%
- … und das Unternehmensimage um 41% (Anstieg von der rationalen MK zur emotionalen & rationalen MK)
Daher wird das Unternehmen bei der emotionalen & rationalen MK als moderner und kundennäher wahrgenommen (Abb. 6).
Auf Basis dieser Bewertungen trafen die Befragten am Ende des Interviews eine intuitive Kaufentscheidung. Die Ergebnisse zeigen, dass …
- … 61% der Befragten den emotionalen & rationalen
- … 21% den emotionalen
- … und 18% den rationalen Unternehmensauftritt bevorzugen.
Wirken der Marketingkommunikation: Die emotionale & rationale Kommunikation wurde im Schnitt besser bewertet: sowohl das wahrgenommene Sicherheitsgefühl, das Unternehmensimage als auch die Kaufentscheidung sind höher als bei der emotionalen bzw. rationalen Webseite. Dabei erhöhen die emotionalen Elemente die affektive Wirkung (Gefühl) und die rationalen Elemente die kognitive Wirkung (Verstand) der Marketingkommunikation.
Negativer Effekt von Emotionalisierung: Der Einsatz emotionaler Elemente ist jedoch mit Vorsicht zu betrachten. Die reine Vermittlung von Emotionen bei der emotionalen Webseite resultiert in einem negativen Effekt. Die Befragten verfügten über eine niedrigere Kaufbereitschaft, nahmen eine geringe Kompetenz wahr, empfanden das Unternehmen als oberflächlich und teurer (Abb. 7).
Die Ergebnisse zeigen, dass eine emotionale & rationale MK fast immer besser geeignet ist. Zur Stärkung des Sicherheitsgefühls, der Kompetenzen, der Kaufbereitschaft und zur Beeinflussung der Preiswahrnehmung sollte jedoch von einer rein emotionalen MK Abstand genommen werden. Eine rein rationale MK hingegen ist zur Verbesserung des Images und des wahrgenommenen Nutzens nicht vorteilhaft.
Emotionalisierung - ein holistischer Ansatz
Den empirischen Ergebnissen nach wirkt sich die Emotionalisierung im industriellen Marketing positiv auf Bewertungen und Kaufentscheidungen der Zielgruppe aus. Dabei gilt es, sowohl emotionale als auch rationale Elemente zielgruppenspezifisch einzusetzen. Die gewonnenen Erkenntnisse können sowohl die Marketingkommunikation als auch andere Unternehmensbereiche (z.B. den Vertrieb) auf Industriegütermärkten signifikant unterstützen. Emotionalisierung sollte dabei als ein dynamischer, ganzheitlicher Ansatz berücksichtigt werden.
Mit der Untersuchung wurde verdeutlicht, dass auch auf technisch geprägten Industriegütermärkten ein in der Wahrnehmung der Zielgruppe emotionaler Zusatznutzen geschaffen werden kann. Auch hier gilt: “The essential difference between emotion and reason is that emotion leads to action while reason leads to conclusions.” (Donald B. Calne)
Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen eines Experiments und persönlicher Interviews im Entscheidungsumfeld von insgesamt 44 Kunden und Mitarbeitern von Bayer Technology Services.
Bayer Technology Services ist das weltweite technologische Rückgrat und ein wichtiger Innovationsmotor des Bayer-Konzerns, wenn es um die Entwicklung und die Planung sowie den Bau und die Optimierung von Prozessen und Anlagen geht. Die Technologietochter ist zudem das Einstiegsportal für Ingenieure im Bayer-Konzern.