Return on Innovation: Unbekannt
Lohnen sich Innovationen in Chemieunternehmen?
Chemieunternehmen legen hohe Maßstäbe für Planung und Steuerung ihrer Absätze, Umsätze und Erträge an. Welcher Return-on-Innovation aber aus einem in Innovationsaktivitäten investierten Euro entsteht, ist weithin unbekannt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Kurzstudie, zu der mehr als 60 Manager mit F&E- oder Geschäftsverantwortung aus Groß- und mittelständischen Unternehmen sowie Experten aus der Peripherie der Chemieindustrie wie Universitäten und Chemieparkbetreiber befragt wurden.
Klassiker wie Produkte, Anwendungen und Technologien stehen bei den meisten Chemieunternehmen klar im Vordergrund der Innovation. Dagegen sind innovative Dienstleistungen, Geschäftsmodelle und Organisationsformen bei vielen Teilnehmern wenig bis sehr wenig Gegenstand des Innovationsmanagements (Abb. 1). Industrieparkbetreiber und Universitäten bestätigen diese Sicht der Hersteller, setzen für sich aber eigene, durchaus gegenläufige Schwerpunkte, gerade in Richtung Dienstleistungsangebote und Geschäftsmodelle.
Mehr als 80% der Unternehmen können die Frage nach ihrem Return-on-Innovation (ROI) nicht beantworten, selbst wenn sie ihre eigene Definition dafür zu Grunde legen dürfen. Das ist das überraschendste Ergebnis der Studie. Ein geringer Teil der Befragten will sie gar nicht erst beantworten, in erster Linie, um sich nicht in die Karten schauen zu lassen: „Wir haben vor rund drei Jahren ein systematisches Innovationsmanagement aufgelegt und verfolgen die Entwicklung unsere R&D Pipeline im Detail (Input & Output KPIs). Die von Ihnen angefragten Details bzw. Zahlen können wir Ihnen jedoch nicht zur Verfügung stellen, da wir in dieser Detailtiefe nicht extern kommunizieren".
Messbarkeit kaum möglich
Geeignete Kennzahlen zur Messung der Innovationsergebnisse fehlen. Bei mehr als der Hälfte der betroffenen Unternehmen begründet das die mangelnde Transparenz bezüglich des eigenen Innovationserfolges bzw. des ROIs. Die verbleibenden Unternehmen berufen sich bei dieser Messung mehrheitlich auf den Neuproduktumsatz. Wie problematisch diese Kennzahl ist, legt zum einen das breite Spektrum der Antworten dar. Einige Befragte sehen sie als „politische Kennzahl zur innovativen Außendarstellung", während andere in ihr eine „wichtige Steuergröße für das Innovationsmanagement und den Jahresbonus des Managements" sehen.
Zum anderen sagt die reine Umsatzbetrachtung neuer Produkte wenig über die Rendite aus. Sie berücksichtigt weder einmalige Entwicklungskosten noch laufende Herstellkosten und Vertriebsmargen, die die Kunden für neue Produkte zu zahlen bereit sind. Die für eine aussagekräftigere Return-on-Innovation-Betrachtung sinnvollere Betrachtung der Profitabilität neuer Produkte in Form der Deckungsbeiträge wird nur in wenigen Ausnahmefällen erwähnt, die über den gesamten Lebenszyklus gar nicht.
Dienstleistungen, die das Geschäftsmodell von Industrieparkbetreibern und Universitäten prägen, werden von ihren Kunden, Chemikalienherstellern bzw. Studierenden, nicht unbedingt als innovativ wahrgenommen. Das erklärt, warum bei ihnen das Fehlen der ROI-Messung keine negative Rolle spielt: „Eine explizite Return-on-Innovation-Messung war meinem Wissen nach noch nie zentraler Gegenstand der Diskussion. Eine genaue Begründung dafür kann ich aber interessanterweise auch nicht geben".
Innovation nicht nur technisch
Aufwendungen für nicht technische Innovationsaktivitäten werden selten bis gar nicht budgetiert, so dass das F&E Budget nicht repräsentativ für das Gesamtinnovationsbudget sein kann. Mehr als 90% der Befragten geben auf die Frage nach dem Innovationsbudget des Unternehmens an, ihr F&E-Budget genau zu kennen und den Anteil der F&E-Kosten am Umsatz als Kennzahl zu messen. Daneben werden, wenn auch deutlich seltener, die „Anzahl des F&E Personals", „F&E-Personalkosten" und „F&E-Sachkosten" gemessen. Nicht wenige Chemieunternehmen „geben ein möglichst großes F&E Budget an, um in der Außendarstellung als besonders innovativ zu gelten". Einige von ihnen zählen z.B. die Anwendungstechnik zum F&E Bereich. Andere dagegen siedeln diese Aufgaben im Technischen Marketing und damit in Vertrieb bzw. Marketing an.
Aussagen über einzelne F&E-Projekte sagen nichts über den ROI auf Unternehmensebene aus. Die Wirtschaftlichkeitsrechnung einzelner F&E Projekte, die zunehmend in verschiedenen Ausprägungen als Return-on-Invest, Economic Valued Add oder Net Present Value angewandt wird, sagt so gut wie nichts über die konsolidierte Rendite auf Unternehmensebene aus. Dazu müssten zunächst alle geplanten und realisierten Renditen aller F&E Projekte in der Pipeline konsolidiert werden. Zusätzlich müssten auch die Budgets für diejenigen Innovationsaktivitäten einbezogen werden, die der Realisierung neuer Managementprozesse, Organisationsformen und Geschäftsmodelle dienen.
Dienstleister und Universitäten mit Studiengang Chemie begnügen sich vielfach mit einfachen, klassischen Ergebnisgrößen wie „Return-on-Investment gemäß Investitionsrechnung bzw. Umsatz bei Dienstleistungen" auf Einzelprojektebene. Ein Return-on-Innovation auf Unternehmensebene wird häufig nicht angewandt.
Die Messung ihres eigenen Innovationserfolges fällt deutschen Chemieunternehmen schwer, obwohl sie zu Recht für ihre Innovationskraft bekannt sind. Drei Gründe führen sie dafür besonders häufig an. Erstens ist die Abgrenzung wirklich neuer von eigentlich alten Produkten in der Praxis schwierig, da es oft an eindeutigen, gut überprüfbaren Kriterien mangelt. Zweitens muss der durch unterschiedlich lange Projektlaufzeiten bedingte, zeitliche Versatz zwischen Kapitaleinsatz zu Projektstart und Kapitalrückfluss ab dem Projektende, wenn Produkte im Markt eingeführt werden, neu eingeführte Technologien erste Lizenzeinnahmen bringen oder Anwendungen beim Kunden in den Einsatz gelangen und Umsätze generieren, berücksichtigt werden. Drittens erfordern vollständige Erfassung und korrekte Berechnung dieser Parameter oft einen hohen manuellen Aufwand. Dies ist zunächst auf das Fehlen entsprechender Spielregeln und Zuständigkeiten zurückzuführen. In zweiter Linie trägt der Mangel an Vorhandensein oder Nutzung entsprechender IT-Systeme dazu bei.
Prozess nur eine Komponente, viele Innovationen nebenbei
Innovationsprozesse tragen überraschend wenig zum Innovationserfolg von Chemieunternehmen bei. Ihre Bedeutung für den Return-on-Innovation beurteilen sie weit weniger wichtig als Innovationsstrategie, Innovationssteuerung, Innovationskultur und die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter. Diese Innovationsmanagement-Komponenten werden übereinstimmend als wichtig bis sehr wichtig beurteilt. Weitgehend Einigkeit darin besteht, „dass gerade das Zusammenspiel aller Komponenten der wichtigste Erfolgsfaktor für den ROI ist". Wenn die Vermutung zutrifft, dass die meisten herstellenden Unternehmen ihren Stage Gate Prozess im Griff haben und deshalb hier keinen Handlungsbedarf mehr sehen, liegt der Umkehrschluss nahe, dass die anderen Komponenten noch nicht ausgereift sind und es hier Handlungsbedarf gibt.
Chemieparkbetreiber und Hochschulen mit Chemie im Lehrplan sehen die Entwicklung neuer Angebote dagegen eher entspannt, „als KMU entwickeln wir viele Innovationen aus dem Tagesgeschäft heraus. Dabei prüfen wir bei jedem Schritt "en passant", ob das Programm, gemeint ist ein neuer Studiengang, zum Markt passt".
Die Inhalte des Innovationsprozesses dagegen sind für den ROI wichtig bis sehr wichtig, obwohl die Teilnehmer den Innovationsprozess per se im Vergleich zu allen anderen Komponenten des Innovationsmanagement als weniger bedeutsam ansehen. Dieser scheinbare Widerspruch spiegelt sich in der großen Zahl der Nennungen für einen „ausgewogenen" Beitrag jeder einzelnen Phase für den ROI wider.
Innovation bislang untergeordnet
In Summe verfolgen etwa vier von zehn Firmen die Philosophie, gezielt und mit viel Aufwand nach guten Ideen zu suchen und aus deren Vielzahl die besten auszusuchen (Phase1 - Ideenfindung und -auswahl) und bewerten den Einfluss dieser Phase auf den Innovationserfolg als „Sehr stark". Die Schwerpunkte der einzelnen Firmen können sehr unterschiedlich sein. Die einen haben zu wenig gute Ideen und suchen aktiv nach attraktiven Chancen, die anderen haben zu wenige Ressourcen, um viele gute Ideen umzusetzen und legen daher viel Wert auf effektive Qualifizierung und Auswahl.
Praktisch genauso viele koppeln ihren Innovationserfolg „Sehr stark" an ihren Vermarktungserfolg. Diesen sichern sie mit ihrer Kompetenz in Markt- und Kundenmanagement (Phase 4 - Markteintritt/ Vermarktung). Dass Kunden- und Ideenmanagement ähnlich wichtig eingeschätzt werden, liegt u.a. an der Tatsache, dass Kunden zunehmend in die Findung von Ideen und deren Qualifizierung eingebunden werden.
30% der Chemiefirmen geben an, die Phase 3 - Umsetzung/ Projekt, sei „Sehr stark" erfolgskritisch für die Realisierung der Ideen in Labor und Technikum. Die Begründungen für die relativ geringe Zahl sind unterschiedlich. Einige Firmen verlassen sich auf ihr gutes Projektmanagement, andere auf die Trefferquote, wenn einmal eine Idee qualifiziert worden ist und andere auf die Erfahrung bzw. Kompetenz ihrer Mitarbeiter.
Nur jeder vierte Teilnehmer widmet sich „Sehr stark" der Konzepterstellung und Planung in Phase 2 - Machbarkeitsstudie/ Konzept. Für mehr als 50% der Befragten wird sie sogar als wenig erfolgskritisch für den ROI angesehen. Hierin liegt eine Erklärung für den Mangel an Transparenz über Investitionen und Ergebnisse. Wenn diese in der Frühphase von Innovationsaktivitäten, der technischen und insbesondere wirtschaftlichen Machbarkeitsprüfung, nicht definiert werden, kann es nach Abschluss keine Renditebetrachtung geben.
Chemische Innovationen messbar?
Die deutsche chemische Industrie kennt ihren Return-on-Innovation nicht. Die berechtigte Frage, ob sich Innovation in der Chemieindustrie lohnt, ist quantitativ nicht plausibel zu beantworten. Qualitativ stehen die Innovationserfolge der Chemieindustrie außer Frage.
Chemieunternehmen in Deutschland investieren laut VCI jährlich rund 5% oder ca. 9,7 Mrd. € ihres Umsatzes von ca. 187 Mrd. € in F&E. Zusätzlich investieren sie in innovative Geschäftsmodelle, Organisationsformen und Dienstleistungen. Wieviel, ist weitgehend unbekannt. Noch mehr Abstriche werden bei Messbarkeit und Messung der Innovationsergebnisse gemacht.
Abzuwarten bleibt, woran Unternehmenslenker künftig Zielvereinbarungen für ihre Forschungs- und Entwicklungsleiter und die Leiter ihrer Geschäftsentwicklungseinheiten festgemachen und an Hand welcher Erwartungen sie diesen ihre Budgets zuweisen. Mangelnde Transparenz über den ROI soll und darf aber die hohe Innovationskraft deutscher Chemieunternehmen nicht einschränken.
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