Das Medical Innovation Center der Paul Hartmann AG
24.11.2014 -
Was mit einer komplett entkernten Fabrikhalle für Produkte zur Inkontinenzhygiene begann, ist seit Juli 2014 eine der modernsten Reinraumfertigungen für Wundauflagen und kundenindividuelle OP-Komplettsets am Standort der Konzernzentrale der Paul Hartmann AG in Heidenheim.
Zwei völlig unterschiedliche Fertigungsarten - das Make-to-stock-Prinzip bei den Wundauflagen und das Make-to-demand-Prinzip bei kundenindividuellen OP-Sets - wurden an einen gemeinsamen Logistikprozess angeschlossen. Von Anfang an stand bei der Konzeption des Medical Innovation Centers die Etablierung schlanker Prozesse und der Dialog mit den Kunden in der „Gläsernen Fertigung" im Vordergrund.
„Wir haben ein bestehendes Gebäude recycled, den Produktions- und Materialfluss genau analysiert und nach dem Prinzip der Schlanken Fertigung so einfach wie möglich gestaltet. Entsprechend haben wir das Medical Innovation Center also konsequent von den Prozessen her, also von innen nach außen, geplant", erläutert Dr. Felix Fremerey, Chief Process Officer im Vorstand bei Hartmann. Zwei völlig unabhängig voneinander funktionierende Fertigungen mit einer gemeinsamen Logistik zu verbinden, ist ein innovativer Ansatz bei der Herstellung von Medizinprodukten.
Make-to-stock
Die Herstellung moderner Wundauflagen und Salbenkompressen erfolgt in Lagerfertigung nach dem Make-to-stock-Prinzip. Mit minimalen Rüstzeiten werden in einem mehrstufigen Produktionsprozess auf vier Maschinen elf verschiedene Marken in 280 Aufmachungen hergestellt. Das schafft Flexibilität und reduziert Lagerbestände auf ein Minimum. In den Produktionsprozess sind zahlreiche Elemente zur Qualitätssicherung in Form von „Quality Gates" integriert, beispielsweise eine Wareneingangsprüfung nach dem Null-Fehler-Prinzip, sensorgesteuerte Kontrollpunkte und eine lückenlose Chargenverfolgung von den eingesetzten Rohstoffen und Vorfabrikaten bis zur Fertigware.
Make-to-demand
Die Fertigung kundenindividueller OP-Sets erfolgt nach Kundenbedarf und entspricht dem Make-to-demand-Prinzip. Aus rund 3.500 qualifizierten Inhaltsteilen fertigt Hartmann rund 2.500 verschiedene kundenindividuelle Sets. Entsprechend den Anforderungen an einen reibungslosen OP-Ablauf werden mit den Kunden nicht nur die Inhaltsteile eines Sets, sondern auch die zweckmäßige Packreihenfolge besprochen. Hieraus ergibt sich ein klar getakteter mehrstufiger Produktionsprozess.
Verbindendes Element dieser beiden Fertigungen ist ein Routenzug, der alle 20 Minuten auf dem Hinweg die Reinräume mit Rohwaren und Vorfabrikaten versorgt und auf dem Rückweg Fertigware abholt. Ein so genannter Marktplatz dient als Puffer für Rohwaren für die nächsten Fertigungsaufträge sowie für Fertigwaren auf dem Weg zur Sterilisation und Einlagerung. Eine speziell entwickelte Software steuert die auftragsbezogene Bestückung des Routenzugs.
Als Lager und Materialschleuse in einem gewährleistet der Lean-Lift mit diesem innovativen Ansatz den Transport von Ersatzteilen und produktindividuellen Werkzeugmodulen in den Reinraum und ermöglicht so einen reibungslosen Arbeitsablauf. Den Reinräumen vorgelagert sind Bereitstellungszonen, durch die Rohstoffe in den benötigten Mengen eingeschleust und die palettierte Fertigware wieder ausgeschleust werden.
Auch durch den „Lean - Clean - Green"- Ansatz mit einer klaren Planungsphilosophie verfolgt Hartmann ein deutliches Ziel: eine einfache, saubere und nachhaltige Arbeit im Medical Innovation Center leisten zu können. So konnte das Unternehmen beispielsweise im Bereich der OP-Sets eine Produktivitätssteigerung von 70 % erreichen, sowie 35 % Produktivitätssteigerung im Geschäftsfeld der modernen Wundbehandlung. Durch effiziente und transparente Arbeitsabläufe gelang es, die Durchlaufzeit um 25 % zu verringern und den Verbrauch an Ersatzteilen sogar um 50 % zu senken.
Das Medical Innovation Center
Im Medical Innovation Center produzieren rund 260 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pro Jahr rund 93 Mio. Wundauflagen und etwa 700.000 kundenindividuelle OP-Komplettsets. Das Hygienekonzept spiegelt sich in drei Bereichen wieder: der Schwarzzone mit Marktplatz und Büros, der Grauzone mit Bereitstellungszonen und Schleusen für Personal und Material zum Reinraum, und der Weißzone als reinstem Bereich, der Fertigung unter Reinraumbedingungen. Das Hygienekonzept beinhaltet unter anderem ein zweistufiges Umkleidesystem für Produktionsmitarbeiter sowie eine Fertigung in partikelarmer Luft. Die Luft in den Reinräumen wird 12-mal pro Stunde, also alle fünf Minuten, komplett ausgetauscht.