Innovation ist mehr als nur eine gute Idee
Chancen des deutschen Chemieanlagenbaus gegenüber der internationalen Konkurrenz
CITplus - Der deutsche Chemieanlagenbau sieht sich einer wachsenden internationalen Konkurrenz bei steigenden Kundenanforderungen ausgesetzt. Es treten zunehmend Wettbewerber aus dem asiatischen Raum auf, die bei hoher Risikobereitschaft ambitionierte Terminpläne vorlegen und teilweise deutlich günstiger anbieten. Eine wesentliche Option für die etablierten Anbieter besteht darin, die traditionell starke Technologieposition durch kontinuierliches und systematisches Innovationsmanagement zu festigen und auszubauen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist ein gemeinsames Projekt von ThyssenKrupp Uhde und Evonik.
Um nachhaltig erfolgreich zu sein, steht das Streben nach Technologieführerschaft bei einigen westlichen Anlagenbauern im Mittelpunkt der verfolgten Innovationskonzepte. Wer sich durch neue, effiziente und ressourcenschonende Verfahren von der Konkurrenz differenziert, hat eine Chance, unternehmerischen Erfolg langfristig zu sichern. Aus diesem Grund kommt dem zielgerichteten Innovationsmanagement im heutigen Marktumfeld bei erfolgreichen Kontraktoren wie ThyssenKrupp Uhde eine herausragende Stellung zu.
Wie das Geschäft den Innovationszyklus beeinflusst
Der Innovationsbegriff hat sich in unserem Sprachgebrauch in den letzten Jahren auf vielfältige Weise etabliert. Hierbei werden Innovationen oft mit guten Ideen oder besonderer Kreativität gleichgesetzt. Damit aber eine Innovation im eigentlichen Sinne vorliegt, müssen die folgenden vier Kriterien erfüllt sein:
Neue Idee (Invention)
Technische Umsetzung
Erfolgreiche Markteinführung
Wiederholter Markterfolg
Der Innovationsprozess im chemischen Großanlagenbau unterliegt einigen Besonderheiten und Herausforderungen, die sich beispielsweise vom Konsumgütermarkt deutlich unterscheiden. So sind die Lebenszyklen der industriell eingesetzten Technologien zur Erzeugung von Basischemikalien sehr lang. Im Falle der Ammoniaktechnologie beruhen die heutigen Verfahren im Prinzip nach wie vor auf Entwicklungen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die sich auch in absehbarer Zeit nicht verändern werden. Weiterhin ist die chemische Industrie aufgrund der hohen Investitionssummen von oft mehreren 100 Mio. € bei der Umsetzung neuer Verfahren und Ideen sehr konservativ. Daraus resultieren langfristig ausgelegte Planungen sowohl bei den Betreibern als auch bei den Technologiefirmen und Kontraktoren, die ihre begrenzten Ressourcen für die Entwicklung neuer Prozesse überlegt einsetzen.
Grundsätzlich können zwei verschiedene Innovationsformen im Chemieanlagenbau unterschieden werden. Unter dem Begriff „evolutionäre Innovation" verbirgt sich die kontinuierliche Verbesserung und Anpassung etablierter Verfahren im Sinne höherer Effizienz und geringer Betriebs- und Investitionskosten. Häufig läuft die Entwicklung dabei gegen naturwissenschaftliche Grenzen an, so dass eine herkömmliche Technologie mit vertretbarem Aufwand nur noch geringfügig verbessert werden kann. Viele der heute eingesetzten Verfahren der chemischen Industrie bewegen sich an diesen schwer überwindbaren Grenzen.
Der Begriff „revolutionäre Innovation" hingegen bezeichnet den Ansatz, durch völlig neue Ideen und Konzepte bisher unkonventionelle Konversionswege zu erschließen, die sich gegenüber den traditionellen Prozessen durch deutliche Vorteile auszeichnen. Neben technischen Aspekten zählen hier auch Punkte wie Ressourcenschonung, Rohstoffvariabilität oder die Vermeidung von unerwünschten Koppelprodukten. Durch die technische Umsetzung der innovativen HPPO-Technologie zur koppelproduktfreien Herstellung von Propylenoxid konnte von ThyssenKrupp Uhde in Kooperation mit Evonik ein Verfahren am Markt platziert werden, das den konventionellen Verfahren unter bestimmten Bedingungen deutlich überlegen ist.
Wie Bedürfnisse die Technologieentwicklung bestimmen
Bereits oben wurde dargestellt, dass der Innovationsbegriff im Umfeld des Chemieanlagenbaus einigen Besonderheiten unterliegt. Vor allem die großen Investitionsbeträge und die langfristigen Planungen der Betreiber setzen voraus, dass für die hergestellten Produkte einer Chemieanlage dauerhaft positive Marktaussichten bestehen. Die Nachfrage nach Basischemikalien wird über vielfältige Wertschöpfungsketten letztlich durch die Bedürfnisse unserer Gesellschaft bestimmt. Die ausreichende Versorgung mit Nahrung als eines der Grundbedürfnisse der Menschheit wird auch weiterhin dazu führen, dass eine rege Nachfrage nach Düngemitteln besteht, die im Kern wiederum auf der Herstellung von Ammoniak und Harnstoff beruhen. Werden diese Bedürfnisse systematisiert, lassen sich die vielfach zitierten „Megatrends" ableiten, die als sinnvolle Richtgrößen für langfristige Marktbetrachtungen sehr nützlich sind. Ausgehend von diesen grundsätzlichen Betrachtungen schließen sich im systematischen Innovationsprozess die folgenden Schritte an:
Wissensbasierte Analyse
Prüfung von Erfolgsaussichten
Verfahrensentwicklung und
Markteinführung
Nur das fundierte Verständnis von Trends und Märkten und dessen Analyse ermöglicht die zielgerichtete Ideenentwicklung als Basis für eine Innovation. Diese Ideen sind zunächst in Konzepte zu überführen, die dann einer umfangreichen Prüfung hinsichtlich technischen und wirtschaftlichen Kriterien standhalten müssen. Sind die Erfolgsaussichten für eine Idee ausreichend positiv, ist die Voraussetzung geschaffen, dass aus einer Idee eine Innovation werden kann. Ist auch die Verfahrensentwicklung erfolgreich, steht einer Markteinführung nichts mehr im Wege.
Im Falle der HPPO-Technologie konnte durch die wissensbasierte Analyse ein jährliches Marktwachstum für Propylenoxid von etwa 5 % identifiziert werden. Dies stellte eine attraktive Basis für die Entwicklung eines neuen Produktionsverfahrens dar. Hinzu kommt, dass Propylenoxid aus den konventionellen Prozessen nur als Koppelprodukt anfällt, was die Vermarktung des Stoffes im Vergleich zu einem Einproduktverfahren ungleich komplexer macht. Das neu entwickelte HPPO-Verfahren kommt darüber hinaus dem Trend in der chemischen Industrie entgegen, wonach die Betreiber im heutigen Marktumfeld zunehmend on-purpose Technologien ohne die Notwendigkeit zur Nebenproduktvermarktung nachfragen.
Wie durch Kooperation
ein neuer Prozess entsteht
Die vollständige Entwicklung und erfolgreiche Markteinführung eines neuen Verfahrens stellt hohe Ansprüche an die Kompetenz und Ausdauer der beteiligten Akteure. Dieser Prozess erstreckt sich im Allgemeinen über mehrere Jahre und erfordert finanzielle Aufwendungen in Millionenhöhe, die auch für ein Unternehmen wie ThyssenKrupp Uhde eine Herausforderung darstellen. Unter anderem aus diesem Grund hat sich in den vergangenen Jahren ein F&E-Ansatz bewährt, der gleich mehrere der genannten Hürden gleichzeitig nimmt: „Open Innovation" bezeichnet die Öffnung des Innovationsprozesses über Unternehmensgrenzen hinweg, um partnerschaftlich ein gemeinsames Ziel unter Einbringung komplementärer Kompetenzen möglichst effizient zu erreichen.
Die erfolgreiche Entwicklung und Markteinführung des HPPO-Verfahrens stellt ein ausgezeichnetes Beispiel für die zielgerichtete Verfolgung gemeinsamer F&E- bzw. Geschäftsinteressen dar. ThyssenKrupp Uhde und Evonik haben sich erfolgreich der Herausforderung gestellt, einen komplett neuen Prozess zu erarbeiten, zu dessen Beginn ein attraktives Produktmarktwachstum und ein geeignetes Katalysatormaterial standen. Um von dieser Idee zu einer wirklichen Innovation zu kommen, waren vielfältige technische Entwicklungen notwendig, die nur in einer partnerschaftlichen Kooperation erfolgreich bewältigt werden konnten. Als besondere Herausforderung hervorzuheben ist hierbei die Maßstabsvergrößerung des gesamten Verfahrens von einigen Gramm pro Stunde auf mehrere Tausend Tonnen pro Stunde.
Die Kooperation zwischen ThyssenKrupp Uhde und Evonik zeigt eindrucksvoll, wie es durch systematisches Innovationsmanagement möglich ist, einen bedeutenden Markterfolg zu erzielen. Im Sinne der oben genannten vier Schritte konnten durch die wissensbasierten Analyse hervorragende Marktpotentiale für das Produkt Propylenoxid identifiziert werden. Im Anschluss folgte die Prüfung von Erfolgsaussichten, um sicher zu stellen, dass sowohl wirtschaftlich als auch technisch keine unüberwindbaren Hürden auftreten würden. Hierzu wurden umfangreiche Wirtschaftlichkeitsrechnungen angestellt, um zu gewährleisten, dass ein neu entwickeltes Verfahren vor allem Vorteile für die zukünftigen Betreiber bietet. Nachdem auch die ersten Labortests erfolgreich verliefen, wurde die Entscheidung für die Verfahrensentwicklung und Markteinführung getroffen. Auch das letzte und für einen EPC-Kontraktor wichtigste Kriterium einer Innovation, der wiederholte Markterfolg, wird durch das HPPO-Verfahren erfüllt. Nach der erfolgreichen Realisierung der Erstanlage konnte bereits ein weiterer Auftrag für den Bau einer neuen Anlage unterschrieben werden.
Kontakt
ThyssenKrupp Uhde
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