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Insolvenzrisiko

Wie sollten Lizenzverträge auf der Grundlage des derzeitigen Rechts gestaltet werden?

13.11.2012 -

Eine Absicherung des lnsolvenzrisikos bei Lizenzverträgen ist auf der Grundlage des derzeitigen Rechts in Deutschland eine hochkomplexe Herausforderung an die Vertragsgestaltung.

Folgerichtig war daher das spontane Aufatmen in der einschlägigen Fachwelt, als Anfang diesen Jahres ein Gesetzentwurf bekannt wurde, mit dem das geändert werden sollte. Die Initiative, auf die große Hoffnungen gesetzt wurden, lehnte sich im Ansatz an das US-Recht an, bei dem der Lizenznehmer in der Lizenzgeberinsolvenz das Recht auf Neuabschluss des Lizenzvertrages erhält.

Allerdings wuchs schnell die Skepsis, ob die vorgeschlagene Neuregelung die Vertragspraxis tatsächlich vereinfachen würde, und kritische Stimmen meldeten sich mit guten Argumenten zu Wort, nach denen in der Praxis eher mit weiteren Unsicherheiten zu rechnen sei. Z.B. war nach dem Entwurfstext selbst die Insolvenzfestigkeit der Exklusivlizenz nicht mehr zweifelsfrei, die heute praktisch einhellig anerkannt ist. Weiter hätte die vorgesehene Regelung zur Folge gehabt, dass dem Lizenznehmer, der gegenüber dem Insolvenzverwalter die Fortsetzung des wirksam vereinbarten Lizenzvertrages einfordern möchte, zahlreiche Steine in den Weg gelegt werden, wie etwa der systemfremde Nachweis, dass die bei Vertragsabschluss, also ggf. vor langer Zeit, vereinbarten Konditionen für die Lizenz auch heute noch „angemessen" sind.

Rechtsunsicherheit bleibt

Inzwischen hat sich die Diskussion über den betreffenden Neuentwurf erledigt: Offenbar überwältigt von der auf breiter Front vorgetragenen substantiellen Kritik hat das Justizministerium in Berlin die Bestimmung inzwischen aus den weiterverfolgten Texten gestrichen und verfolgt insoweit offensichtlich die Reform nicht mehr weiter. Diese Kapitulation vor der überaus konstruktiven Mitwirkung einer Vielzahl interessierter Gruppen ist insbesondere deshalb bedauerlich, weil damit die Chance vertan wurde, nunmehr endlich die völlig überflüssige Quelle einer fortdauernden Rechtsunsicherheit trockenzulegen, die so noch lange die Gerichte beschäftigen wird.

Abhilfe schaffen nämlich auch nicht einige kürzlich ergangene Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zum Urheberrecht, bei denen eine Tendenz zur Anerkennung des Fortbestandes von Unterlizenzen bei Erlöschen der Hauptlizenz erkennbar wird. Diese Urteile geben für die Beantwortung der entscheidenden Frage, ob eine Technologielizenz vom Lizenznehmer, der hier ggf. erheblich investiert hat, weitergenutzt werden kann, auch wenn der Lizenzgeber insolvent wird, letztlich nichts her und sind daher allenfalls als Ideenlieferant für einige neue Varianten der Vertragsgestaltung nutzbar zu machen.

Eindeutige Regelung notwendig

Es bleibt die Forderung an den Gesetzgeber, unmissverständlich die Insolvenzfestigkeit von Lizenzen festzuschreiben, wie sie im Übrigen bereits für Wohn- und Geschäftsraummietverträge seit langem gilt. Damit würde nicht nur der Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt. Eine solche eindeutige Regelung liegt auch im Interesse vieler kleiner Technologieunternehmen wie z.B. Biotech-Gesellschaften, die auch bei attraktiven Lizenz-Deals mit Partnern aus der Großindustrie wie z.B. Big Pharma auf eine Begrenzung von Komplexität und der damit verbundenen Kosten achten müssen.
Angesichts der weiter geltenden unsicheren Rechtslage ist somit nach wie vor Vorsorge bei der Vertragsgestaltung zu treffen.

Die sicherste Rechtsposition ist nach wie vor eine Exklusivlizenz, die auch in der Insolvenz des Lizenzgebers nach ganz überwiegend vertretener Rechtsauffassung bestehen bleibt, sodass der Lizenznehmer von der Erlaubnis zur Nutzung der betreffenden Technologie weiterhin Gebrauch machen kann. Andere Fälle sind kritisch zu beurteilen. Es drohen mitunter hohe Verluste. Was kann der Lizenznehmer unternehmen, um sich gegen solche Fälle zu schützen?

  • Die Option, den Vertrag vollständig zu erfüllen, indem vor allem der Lizenznehmer die gesamte Lizenzgebühr sofort bezahlt, womit der Zugriff des Insolvenzverwalters nach der insolvenzrechtlichen Regelung entfiele, besteht meist nur theoretisch. Praktisch wird diese Möglichkeit deshalb ausscheiden, weil der Lizenzerwerb gerade im Hinblick auf ein wirtschaftliches Risk Sharing nicht per sofortiger Einmalzahlung, sondern über umsatzbezogene Royalties vergütet wird.
  • In einem speziellen, urheberrechtlich geprägten Fall wurde höchstrichterlich bei Kündigung der Lizenz aus wichtigem Grund, d.h. u.a. auch bei Insolvenz des Lizenzgebers, ein automatischer Erwerb des dauerhaften Nutzungsrechtes anerkannt. Der „Haken" ist hier, dass dieser Rechtserwerb natürlich auch sofort und in voller Höhe zu vergüten ist. Im übrigen kann nicht als gesichert gelten, ob diese Rechtsprechung allgemein und auch bei Patentlizenzen Anwendung finden wird.
  • Daher sucht die Praxis mitunter Zuflucht darin, zusätzlich zur Lizenzerteilung dingliche Sicherungsrechte wie Pfandrecht oder Nießbrauch einzuräumen. In den Verhandlungen ist dies allerdings den Beteiligten, insbesondere ausländischen Gesprächspartnern, nur mühsam zu kommunizieren. Offen ist auch, wie sich die Gerichte zu solchen Lösungen positionieren würden.
  • Letztlich ist eine wirksame Absicherung ohne ein erhebliches Maß an Komplexität nicht zu erreichen. Insoweit ist denkbar, die zu lizenzierenden Patente etc. einem Treuhänder zu übertragen, wobei in dessen Person eine Insolvenz auch in absehbarer Zukunft möglichst kein Thema sein sollte. Bei Insolvenz des Lizenzgebers setzt sich die Lizenz dann an den vom Treuhänder gehaltenen Rechten fort.
  • Als weitere Alternative kommt die Auslagerung der zu lizenzierenden Patente etc. in einem Tochterunternehmen des Lizenzgebers in Betracht, das ansonsten keine weiteren Aktivitäten hat. Dieses „Special Purpose Vehicle" fungiert dann als Lizenzgeber und sollte aufgrund der Zahlungsströme aus den Lizenzeinkünften, die entsprechend zu gestalten sind, nicht insolvent werden können. Zu beachten ist allerdings, dass die Tochtergesellschaft im Alleineigentum des ursprünglichen Rechteinhabers steht, sodass der Lizenznehmer gegen irgendwelche vertragswidrigen Entnahmemaßnahmen o.ä. letztlich nicht gefeit ist. Um sich dagegen zu wappnen, könnte die Zweckgesellschaft in einem Land gegründet werden, das seine gesetzgeberischen Hausaufgaben schon gemacht und Lizenzen insolvenzfest ausgestaltet hat.
  • Als charmante Variante bietet sich schließlich die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens an, in das der Lizenzgeber die zu lizenzierenden Rechte einbringt und an dem der Lizenznehmer zumindest als Minderheitsgesellschafter beteiligt ist. Für den Fall einer Insolvenz des Lizenzgebers ist gesellschaftsvertraglich zu vereinbaren, dass der Lizenzgeber aus dem Joint Venture ausscheidet und der Lizenznehmer dann Alleingesellschafter und damit indirekt Alleininhaber der Rechte wird. Unvermeidlich ist aber auch hier die Zahlung einer angemessenen Abfindung an den Insolvenzverwalter des Lizenzgebers und ehemaligen Mitgesellschafters.

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