Ideen aus Kunststoff
Nachgefragt-Interview:
Für den deutschen Pavillon auf der diesjährigen Expo Milano waren es Kunststoffe, die den Architekten maßgeschneiderte Lösungen ermöglichten. Lennart Wiechell, leitender Architekt des deutschen Pavillons auf der Expo Milano 2015 und Managing Partner bei Schmidhuber in München, erläutert das Konzept.
CHEManager: Das Motto des deutschen Pavillons „Fields of Ideas“ orientiert sich eng am Thema der Expo 2015 “Feeding the Planet, Energy for Life”. Wie haben Sie dieses Motto umgesetzt?
L. Wiechell: Unser Ziel war es, bereits in der Gestaltung und baulichen Umsetzung des Pavillons ressourcenschonende und kreative Antworten zu den Fragestellungen der EXPO 2015 zu geben. Zentrales Gestaltungselement des Pavillons sind stilisierte Pflanzen, sogenannte Solar Trees, die als „Ideen-Keimlinge“ aus der Ausstellung an die Oberfläche wachsen, wo sie ein großes Blätterdach entfalten. Sie verbinden Innen- und Außenraum, Ausstellung und Architektur.
Welche Rolle spielen die eingesetzten Werkstoffe bei dieser Architektur?
L. Wiechell: Architektur als gebaute Landschaft zu entwickeln, die luft- und lichtdurchflutet ist, durch die man hindurch wandeln kann, die einen inspiriert und dadurch Kommunikation anstößt, ist eine Art Wunschtraum. Dies zu erreichen, geht nur mit den richtigen Werkstoffen. So haben wir beispielsweise für die Lamellen an der Fassade leichte Konstruktionen wie Membranen oder Gewebe aus Kunststoff eingesetzt. Die Solar Trees sind mit kunststoffbeschichteten Geweben bespannt. Außerdem war unser Ziel, so wenige Ressourcen wie möglich zu verbrauchen und im Anschluss an die EXPO eine gute Wiederverwertung des Pavillons zu ermöglichen. Auch hier bietet Kunststoff viele Vorteile.
Wie funktionieren die Solar Trees im Pavillon genau?
L. Wiechell: Wichtig war hier, eine Konstruktionslösung zu finden, die luftig wirkt. Für die Solar Trees haben wir Kunststoff blattförmig zwischen dünne Stahlrohre gespannt. Der eingesetzte Textilwerkstoff ist extrem leicht und widerstandsfähig und wirkt je nach Lichteinfall transparent oder opak. Dazu kommen die auf dünne Kunststoffträgerfolien gedruckten organischen Fotovoltaikzellen, die in die futuristischen „Bäume“ integriert sind. Die Solarbäume sammeln so tagsüber Energie für eine nächtliche Beleuchtung des Pavillons und spenden gleichzeitig Schatten während des heißen italienischen Sommers. Das Besondere ist, dass die Solarzellen wie beim Siebdruck gedruckt werden, das heißt es gibt eine große Freiheit für Architekten und Designer, Solarzellen zu gestalten. Damit können selbst anspruchsvolle Altbauten mit Fotovoltaik nachgerüstet werden.
Wo sehen sie die Vorteile des Einsatzes von Kunststoff für die Architektur?
L. Wiechell: Das große Plus des Werkstoffs ist seine Wandelbarkeit. Kunststoff ermöglicht maßgeschneiderte Lösungen, die sich den Wünschen der Gestalter anpassen. Dazu kommt, dass der Werkstoff sehr leicht vorzuproduzieren ist, über eine hohe Lebensdauer verfügt und im Anschluss leicht wieder zu verwerten ist. Schon das spart Ressourcen, doch die Nutzenphase hat noch mehr zu bieten: So kann luftdurchlässiges Kunststoffgewebe bei einem Pavillon optimale klimatische Bedingungen erzeugen, ohne dass eine aufwändige Haustechnik für die Luftzirkulation nötig ist. Und Kunststoffe sind auch aus ästhetischer Sicht spannend. Sie ermöglichen es je nach Tageszeit und Wetterlage, Licht zu reflektieren oder Sonneneinstrahlung zu minimieren. Auch damit lässt sich das Klima eines Gebäudes auf natürliche Weise regulieren, was wiederum der Umwelt zugutekommt.