Prozessautomation: Der Feldbus "altert" nicht
25.02.2012 -
Prozessautomation: Der Feldbus "altert" nicht
DerFeldbus beginnt sich in der Prozessautomation zu etablieren. Anwender, die einmal eine Anlage mit FF oder Profibus PA errichtet haben, planen die nächste in der gleichen Technologie. Was aber wird sein, wenn das Equipment in die Jahre kommt? Jüngste Untersuchungen mit moderner Feldbusdiagnosetechnik öffnen den Blick in die Zukunft.
Anlagenstillstände sind meist richtig teuer, vor allem, wenn sie zu ungeplanten Produktionsausfällen führen. Bei typischen Lebensdauern für prozesstechnische Anlagen von 10 – 30 Jahren werden für die Instrumentierung, zu Recht, hohe Verfügbarkeit auf Dauer und Betriebsbewährtheit gefordert. Etwa seit 2002, als die Furios-Studie erschienen war, wird konkret der Einsatz der Feldbustechnik in prozesstechnischen Produktionsanlagen vorangetrieben. Was sind diese paar Jahre gemessen an den weit über 50 Jahren Erfahrung mit konventioneller MSR-Signaltechnik, deren Verhalten wir inzwischen aus dem ff kennen? Wie sieht das bei der neuen Technik mit der Betriebsbewährung aus?
Die Frage ist brisant. Unter anderem wurden Profibus PA und Foundation Fieldbus eingeführt, um eine gegenüber der konventionellen Signalübertragung deutlich höhere Signalintegrität zu bekommen. Analoge Einheitssignale können schon einmal falsche, aber plausible, Werte vorgaukeln. Die Digitaltechnik bietet die Chance, fehlerhaft übertragene Signale zu erkennen. Verfälschte Protokolle können verworfen und wiederholt werden. Fehler sollten korrigiert, zumindest aber gemeldet werden. Wir hätten also eine deutlich bessere Technologie, wenn da nicht die Frage der Bewährung in der Praxis wäre: Altert der Feldbus?
Vielleicht verhält sich der Feldbus wie die Micky Maus. Sie wird nicht alt. Micky scheint seit etwa 80 Jahren gleich auszusehen. Und doch haben sich Gesicht, Figur und Charakter vom „Steamboat Willy“ zum Micky verändert.
Interessante Effekte
Die im Industriepark Höchst installierte Feldbustechnik hat das Rheinhold & Mahla Prüflabor kritisch unter die Lupe genommen. „Diagnose und Fehlersuche am Physical Layer von Feldbussystemen“ hieß die Aufgabe für Sven Seintsch. Auf der Namur-Hauptversammlung im November 2006 informierte dann Michael Pelz, Obmann des AK 2.6 Feldbus, über die Prüfungen. Die Ergebnisse waren „Micky Maus-mäßig“: Es waren keine alterungsbedingte Auswirkungen während der Versuchsdauer festzustellen, wohl aber interessante Effekte im Detail.
Untersucht wurde, wie sich Umwelteinflüsse auf Feldbusnetzwerke auswirken können. Die Frage war, ob solche Phänomene die Kommunikation so weit verschlechtern können, dass es zu einer Beeinflussung der Übertragung kommt. Tatsache ist: Der Feldbus erweist sich als sehr stabil. Laborversuche und Messungen in laufenden Anlagen haben gezeigt, dass die Kommunikation von einzelnen Fehlern unbeeindruckt weiterläuft, solange es sich nicht um fatale Fehler handelt. Wird jedoch beispielsweise ein bestimmter Störpegel überschritten, treten Telegrammwiederholungen auf, welche die Kommunikation zunächst beeinträchtigen und sogar zu Geräteausfällen führen können. Das Alterungsverhalten wurde erkundet, indem zwei Feldbusstränge mit unterschiedlichen Verbindungstechniken und Feldgeräten verschiedenster Hersteller wochenlang häufigen drastischen Temperaturwechseln und Leitungs- bzw. Salzwasser ausgesetzt wurden. Störspannungen wurden aufgeprägt.
Bei ca. 200 Feldbussträngen hat das Prüflabor mit dem Pepperl + Fuchs Feldbus-Diagnose-Tool untersucht, wie fachgerecht die Installation und Montage durchgeführt worden waren. Überraschend war beispielsweise, dass oft eine falsche Anzahl von Feldbus-Abschlusswiderständen installiert war und untaugliche Kabel eingesetzt wurden. Häufig wurde eine bereits installierte geschirmte Zweidrahtleitung verwendet, die nicht der Spezifikation entsprach. Den Härtetest im Labor bestand der Bus souverän. Während der kompletten Versuchsdauer fiel keines der Feldgeräte aus, es gingen keine Telegramme verloren.
Der Feldbus erwies sich als sehr stabil gegenüber den simulierten „Erstfehlern“ wie z. B. EMV-Störungen oder Montagefehlern wie etwa einem fehlenden Abschlusswiderstand. Im Feld lief er sehr robust, falls die Installation kompetent und fachmännisch durchgeführt wurde. Er funktionierte selbst bei Überschreiten der vorgegeben Grenzwerte, war dann aber sehr störanfällig.
Wirkliche Probleme bereiteten dem Bus erst die Kombination von Fehlern. Das bedeutet für den Anwender, versteckte Erstfehler müssen aufgedeckt und behoben werden, um die notwendige Störsicherheit zu gewährleisten. Die gute Installation muss nachweisbar sein. Wer gleich bei der Inbetriebnahme damit startet, erhält ein zuverlässiges Feldbussystem, auf das er weiter aufbauen kann. Die notwendige Voraussetzung ist eine saubere und kompetente Feldbusdiagnose, wie die sie z. B. das Pepperl +Fuchs Advanced Diagnostic Module bietet, zur Überwachung der Anlage bei Erweiterungen und Veränderungen. Die Qualität der Installation kann damit exakt überprüft und dokumentiert werden. Durch die Integration der Diagnose in die Speisetechnik, z. B. in die Segmentkoppler, ist es möglich, die Anlagen permanent zu überwachen. Fehler und Veränderungen am Physical Layer werden erkennbar und können behoben werden, bevor es zu einem Ausfall der Geräte kommt. Der Namur AK 2.6 AK Feldbus will auf Basis der Untersuchungen und Ergebnisse von Seintsch eine Namur- Empfehlung zur Wartung und Instandhaltung von Feldbussen erstellen.
Try and Error
„Der Physical Layer ist der Telefondraht, über den die Daten fließen. Und wenn der nicht funktioniert, brauche ich über andere Anwendungen gar nicht erst nachzudenken“, konstatierten führende MSR-Leute und auch: „Konventionelle Analysen über Strom- und Spannungsmessungen helfen hier nicht weiter. Wenn der Feldbus nicht mehr funktioniert, ist man ohne weitere Diagnose auf Try and Error angewiesen.“ „Nach größeren Veränderungen oder Umbauten halte ich eine Überprüfung für absolut notwendig.“ „Eine unserer Anlagen lief seit über einem Jahr problemlos. Wir haben trotzdem mit dem Diagnosemodul einige der genannten Erstfehler gefunden“. „Der Anwender kauft das Gerät und kann sich bei der Inbetriebnahme separate Messungen sparen, weil der ganze Zweig ohnehin kontinuierlich überwacht wird. Den Dauernutzen bekommt der Betreiber zu reduzierten Kosten obenauf, da das Gerät einen Teil der Investition schon während der Inbetriebnahme wieder eingefahren hat.“ Trotzdem kann man davon ausgehen, dass die durch die Diagnosemodule verursachten Mehrkosten bei der Planung heiß diskutiert werden.
Dr. Gunther Kegel, Geschäftsführer von Pepperl + Fuchs sieht das ganz pragmatisch: „Ich kann ein Asset Management System (AMS), und die Advanced Diagnostic ist ein Teil davon, nicht über die Investitionskosten definieren. Die Frage lautet: Wie viele Anlagenstillstände verhindert das Tool?“ Und damit schließt sich der Kreis. Dreh- und Angelpunkt der gesamten Asset-Management-Welt waren in den verschiedenen Plenarvorträgen der Namur-Hauptsitzung die Lebenszykluskosten. Wenn der Anwender durch die Diagnose des Physical Layer sicherstellen kann, dass er frühzeitig Kabeldegradierung, Eindringen von Feuchtigkeit in die Isolationen oder das Abheben von Schirmen verhindern kann, dann haben sich die zusätzlichen Investitionen schnell amortisiert.