Anlagenbau & Prozesstechnik

Mehrstufige Erstreinigung von Reinräumen

22.07.2011 -

Erstreinigungen von Reinräumen nach Neubau-, Umbau- oder Stillstandsphasen stellen den finalen Schritt zur Qualifizierung der Reinräume dar. Die Qualität dieser Reinraumreinigung bestimmt letztlich die Qualität der anschließenden Prozessumgebungen.

Ob für sensible, mikrotechnologische Produkte, bei denen Reinheitsgrade an messbaren Partikeln im 0,3 µ- und 0,5 µ-Bereich Voraussetzungen für optimale Produktionsergebnisse sind, ob bei Oberflächenreinheiten wie bspw. in der Automobil- und Kunststoffindustrie von 10 µ und 20 µ, ob in der Medizintechnik mit ihren gleichsam hohen Ansprüchen an partikulärer und mikrobiologischer Reinheit bis hin zu pharmazeutischen Produkten, bei denen möglichst geringe Mengen an 0,5 µ und 5 µ Partikel und minimalster Nachweis an Mikroorganismen (nach GMP = Good Manufacturing Practice) erlaubt sind.

In all diesen Bereichen misst man die Grenzwerte mit hochsensibler Messtechnik, denn die Zulässigkeiten bewegen sich im vom menschlichen Auge nicht sichtbaren Bereich. Dass es doch häufig zur Übergabe von qualifizierten Reinräumen kommt, die partikulär und mikrobiologisch den Werten entsprechen, optisch, also mit dem bloßen Auge, jedoch deutlich erkennbare Rückstände vorhanden sind, ist eine gefährliche Schnittstelle.
Unerfahrene Reinraumbetreiber, die ihren ersten Reinraum installiert und qualifiziert bekommen, sind mit ihrer logischen Argumentation schnell an ihren Grenzen, wenn die Bewertung der Reinheit nicht explizit im Auftragswerk festgelegt wurde und dabei die optische Reinheit mit erfasst wurde. Im Ruhezustand, in welchem Reinräume partikulär qualifiziert werden, haben Schmutzrückstände an Oberflächen und vor allem am Boden kaum Auswirkungen.
Putzstreifen wie man sie aus früheren Werbespots kennt, sind oft an der Tagesordnung und das spätere Ausmaß an Kontamination lässt sich nicht bewerten. Der optische Eindruck einer Reinraumreinigung sollte jedoch einen höheren Stellenwert bekommen. Dieser Eindruck kann mit entsprechenden UV-Leuchten unterstützt werden.

Die Reinigung von Reinräumen mit Isopropanol und Wasser
Stufe 1:
Um eine rückstandsfreie Reinigung aller Flächen im Reinraum zu gewährleisten, ist ein Gemisch aus Isopropanol (IPA) und Reinwasser zu verwenden. Empfehlungen findet man in der VDI Richtlinie 2083 im Blatt 5.1. Die Qualität des Gemisches kann je nach Anforderung an die anschließenden Prozesse variieren. So kann auch Ethanol oder VE-Wasser zur Anwendung kommen. Industrielle Reinigungsmittel oder gar Haushaltsreiniger sollten wegen ihrer Rückstandsbildung maximal in der Bauendreinigung verwendet werden und dort mit den nachfolgenden Schritten der Reinraumreinigung abgestimmt werden, so dass bei Anwendung des IPA/Wasser-Gemisches kein Aufschäumen von Mittelrückständen auf den Oberflächen stattfindet. Mit der ersten Stufe ist es wichtig, dass alle groben Verunreinigungen mit den Wischprozessen abgetragen werden. Deutliche Vorteile bietet dabei die Anwendung der 2-Eimer-Methode und ein entsprechend häufiger Wasserwechsel. Bei der 2-Eimer-Methode befindet sich in einem Behälter das IPA/Wasser-Gemisch, welches das Medium darstellt, welches vom Wischmittel aufgenommen wird zur Anwendung der Wischprozesse auf den Oberflächen. In dem zweiten Eimer befindet sich das reine Wasser, in dem das Wischmittel ausgespült wird.
Stufe 2:
Da ein einmaliger Wischprozess auf einer Oberfläche nicht ausreichend ist, empfiehlt sich ein weiterer Reinigungsschritt. Innerhalb dieser 2. Stufe kann das Wischmittel verändert werden. Kam bei der ersten Stufe ein grobstrukturiertes Wischtuch zum Einsatz, so kann bei der zweiten Stufe ein feinstrukturierteres Wischtuch für die Aufnahme kleinerer Verunreinigungen eingesetzt werden. Das verringert zudem deutlich die Schlierenbildung. Das Wischen in der zweiten Stufe (welches ebenfalls nach Vorgaben durch die ISO 14644-5 und der VDI 2083/5.1 hinsichtlich der Wischrichtung durchgeführt werden sollte) gleicht unregelmäßig angewandte Wischtechniken aus der ersten Stufe weitgehend aus. So ist es teilweise üblich, nötig und unvermeidbar, in der ersten Stufe, aufgrund hartnäckiger Verunreinigungen (bspw. Fingerabdrücke von der Montage), auf Oberflächen kreisförmig und kreuz und quer zu wischen.

Desinfizierende Reinigung
Gerade nach Neubau- oder Umbauphasen kann der Begriff der desinfizierenden Reinigung missverständlich sein und zu Irritationen führen. Schmutz lässt sich sehr schwierig desinfizieren. Dadurch erwächst die logische Schlussfolgerung, dass vor einer Desinfektion die Reinigungsmaßnahmen der Stufen 1 und 2 durchgeführt werden sollten. Die Desinfektion besteht dann darin, das wirksame Medium in der gewünschten Konzentration gleichmäßig auf die sauberen Oberflächen aufzubringen. Je nach Produkt oder Konzentration kann es dabei zu Schleier- und Streifenbildung kommen, die von Verantwortlichen nicht gerne gesehen, jedoch wirksam sind. Dazu könnte in einer weiteren Stufe ein sogenanntes Abwaschen des Desinfektionsmittels nach der Einwirkzeit entweder mit reinem Wasser (bspw. WFI = water for injection) oder einem alkoholischen Gemisch durchgeführt werden. Dies empfiehlt sich besonders in sterilen Bereichen, in denen teilweise sehr aggressive Desinfektionsmittel zum Einsatz kommen und entsprechend die Oberflächen verändern könnten.

Fazit
Das es sich dabei um ein zeitlich aufwendiges Verfahren handelt wird offensichtlich. Das wirkt sich zusätzlich auf die Kosten einer Reinraumreinigung insbesondere im Hinblick auf das einzusetzende Personal aus. Es sollte jedoch Beachtung von allen Beteiligten finden, dass nachgeschaltete Maßnahmen oft teurer sind, als von vorne herein ein optimales Resultat zu erreichen.
Das Zeitfenster für die Durchführung der finalen Reinraumreinigung ist oftmals sehr klein geplant, insbesondere wenn es darum geht, in mehreren Stufen zu reinigen. Gerade dann, wenn andere Gewerke mehr Zeit beanspruchen und der Übergabetermin feststeht, kann das Zeitfenster noch kleiner werden.
Wichtig ist die Festlegung einen qualifizierten Ausschlusses aus der Neubau- oder Umbauphase heraus durch eine professionelle Reinraumreinigung, deren Qualität und Zeitaufwand feststeht. Sich darauf zu verlassen, dass durch anschließende Reinigungsschritte in der Routinereinigung Restrückstände aus der Bauphase erfasst und abgereinigt werden, ist sehr riskant und kann somit eine Gefahr für Prozesse und Produkte darstellen.