Anlagenbau & Prozesstechnik

Absaugung beim Umgang mit toxischen Stoffen (OEL 3 und 4)

16.06.2011 -

In vielen Bereichen der chemischen und pharmazeutischen Industrie gehört die Verwendung toxischer, hochtoxischer oder sogar kanzerogener Stoffe höherer Gefährdungsklassen zum Produktionsalltag. Die bisher lieferbaren Lösungen für den Umgang mit diesen Stoffen (Handschuhkasten, Glovebox, etc.) ließen ein sinnvolles Arbeiten aber kaum zu. Die Entwicklung neuer Lösungsansätze war überfällig.

Die Gesundheitsgefährdung von Stoffen wird nach den Richtlinien der BG Chemie in diverse Klassen eingeteilt. Ein Stoff der Gruppe G1 mit sehr geringem Gefährdungspotenzial wie Milchzucker oder Maisstärke, darf demnach mit einem Anteil von > 1 mg/m³ Luft enthalten sein. Am Tag darf eine Menge von 1 g/kg Körpergewicht jedoch nicht überschritten werden. Diese Werte werden bereits mit einfachen Absaugungen erreicht (siehe dazu und auch zu den anderen Klassen Abb. 1).
Die Stoffe der Gruppen 2 bis 4 erfordern auf Grund der maximal zulässigen Werte in der Atemluft immer sichere Systeme, die diese Werte zuverlässig einhalten können. Der Wert, der dabei pro m³ Luft erreicht werden darf, wird auch OEL- oder OEB-Wert genannt (Occopational Exposure Limits - Arbeitsplatz Grenzwert für inakzeptable Exposition oder Occopational Exposure Band - Kategorisierung von Stoffen nach Toxizität).
Besonders im Hinblick auf die neuen Einstufungen von Stoffen nach CLP/GHS werden diese Sicherheitsszenarien in Zukunft noch drastischer. Viele Stoffe erfahren nach dieser Verordnung eine höhere Einstufung. So sind schon heute Stoffe zu finden, die nach Gefahrstoffverordnung noch als sensibilisierend, gemäß CLP jedoch als giftig eingestuft werden. Ebenso sind einige giftige Stoffe in die Liste der CMR-Stoffe (kanzerogen/mutagen/reproduktionsschädigend) eingruppiert worden.
Neuere Einstufungen kennen sogar die Stufe 5 für hochwirksame, höchst giftige Stoffe, bei denen weniger als 1 µg/m³ Luft zulässig ist. Ab der OEL 3 muss neben einer sehr leistungsstarken Absaugung in der Regel auch eine persönliche Schutzausrüstung (PSA) wie z. B. Atem- und Hautschutz getragen werden, um die geforderten Werte sicher einhalten zu können. Die Alternative zur PSA sind ab hier nur geschlossene Systeme wie Isolatoren oder Gloveboxen.

Ausgangssituation
Für eine Anlage mit großem Durchsatz sind geschlossenen Anwendungen unumgänglich und akzeptiert. Schwierig wird es, wenn mit vielen verschiedenen Stoffen, Gebinden und Mengen umgegangen wird, wie zum Beispiel im Labor. Ein geschlossenes System macht hier keinen Sinn, gerade wenn nicht ständig mit kritischen Stoffen, sondern auch mit harmloseren Substanzen gearbeitet wird.
Aus diesem Grund wurden auf Anregung von Kunden diverse Tests an Absauganlagen vorgenommen. Es galt eine Lösung zu finden, die eine offene Absaugbank mit Unterstützung von Barrieren soweit ertüchtigte, um den Anforderungen an den Umgang bis hin zu OEL 4 zu genügen. Als unabhängige Stelle für die Messungen wurde die Geotaix - Umwelttechnologie in Würselen beauftragt.

Versuchsdurchführung
Die Messung an sich musste zwei grundlegende Kriterien erfüllen:
1. Praxisnahe Testreihen
2. Reproduzierbare Daten
Da die Messungen nicht im Reinraum durchgeführt werden konnten (es wäre eine Klasse A erforderlich), wurden sie in einer normalen Umgebung durchgeführt. Als Prüfmedium wurde Lactose Monohydrat mit einer Dichte von 1,525 g/cm³ und einer mittleren Partikelgröße von 48 µm verwendet. Die Lactose wurde von einem Mitarbeiter während der praxisnahen Versuchsreihen ständig umgefüllt. Zwei Messsonden sammelten dabei alle Partikel aus der Luft links und rechts neben dem Mitarbeiter auf. Eine dritte Messsonde befand sich im Gesichtsbereich (siehe Abb. 2). Anschließend wurde die Lactose aus dem gefilterten Staub separiert und gewogen, um die erreichten Werte nachzuweisen.
Abbildung 2 zeigt den Mitarbeiter, der durch die Handschuhe in der Barriere den Umfüllvorgang der Lactose vornimmt. Der Absaugtisch funktioniert nach dem bekannten Prinzip der Ejektortechnik, die für Arbeiten bis OEL 2 als Stand der Technik akzeptiert ist. Die Barrieren wurden provisorisch eingesetzt und die Messungen durchgeführt.
Neben diversen horizontalen und vertikalen Barrieren und deren Kombinationen wurden auch verschiedene Abluftströme getestet. Da die Ergebnisse erst viele Tage später vorlagen, war eine strategische Vorplanung und erfahrungsbasierte Abwägung unerlässlich. Die vorliegenden Daten übertrafen am Ende jedoch sogar die Erwartungen der Teilnehmer (siehe Abb. 3).

Ergebnisse
Bereits eine einfache horizontale oder vertikale Scheibe schaffte den Sprung in die Klasse OEL 3.
Die Erhöhung der Luftmenge erreichte dann bereits die Klasse OEL 4. Die in Abbildung 2 gezeigte Barriere mit Handschuhen war auch bei kleinen Luftmengen für die Klasse OEL 4 geeignet. Die Kombination aus 2 Barrieren mit hoher Luftmenge kann unter Umständen auch für die höchste OEL-Klasse 5 ausreichen.
Die OEL 5 für ein offenes System ist sicherlich nur in Ausnahmen zu verwenden, für die übrigen Stufen ist jedoch ein einfaches und bedienerfreundliches Konzept entstanden. Die zu bearbeitenden Stoffe können frei in den Arbeitsbereich eingebracht und dann sicher verarbeitet werden. Da die Barrieren nicht starr sein müssen, ist auch eine Umpositionierung des Mitarbeiters beim Arbeitsgang möglich.
Da die Barrieren auf ein bestehendes System aufgesetzt wurden, ist auch ein Betrieb der Anlage ohne diese denkbar, wenn beispielsweise mit weniger gefährlichen Stoffen gearbeitet wird. Ebenso können vorhandene Anlagen nachgerüstet werden. Die jeweilige Ausführung der Barriere kann dann nach den speziellen Anforderungen, wie z.B.. leicht reinigbar, ableitfähig, schwenkbar, etc. angepasst werden.
Werden im Arbeitsbereich Produkte bearbeitet, die vor der Umgebungsluft geschützt werden müssen, kann vor den Absaugbereich ein Laminar Flow Plenum mit Filter gesetzt werden. Die Zuluft, die nun vom Tisch angesaugt wird, ist hochrein und sorgt damit für optimalen Produktschutz. So kann eine Komplettlösung auch für pharmazeutische Anwendungen entstehen.

Fazit
Mit geeigneten Barrieren für Ejektortechnik-Anlagen lassen sich auch hochwirksame Stoffe in offenen Systemen einfach und sicher bearbeiten. Die zahlreichen Lösungen und die Verwendung der Anlagen ohne Barriere ergeben ein vielseitiges Einsatzfeld.

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