Standorte & Services

Stilllegung des Standorts Ingolstadt der Raffineriegesellschaft Bayernoil

Arcadis beurteilte immobilienwirtschaftliche Wertschöpfungspotenziale sowie Risiken und Kosten des Raffinerierückbaus

10.06.2011 -

Bei der Aufgabe eines Produktionsstandorts muss ein Unternehmen vieles richtig machen, um das Wertschöpfungspotential des frei werdenden Geländes zu nutzen und finanzielle oder Imageverluste zu vermeiden. Wirtschaftliche, ökologische, soziale, rechtliche und Branding-Aspekte müssen frühzeitig analysiert und in einem mit allen wichtigen Akteuren abgestimmten Konzept inte­griert werden. Ein positives Beispiel ist die Stilllegung des Standorts Ingolstadt der Raffineriegesellschaft Bayernoil.

Eine Produktion wird verlagert, ein Unternehmensstandort aufgegeben: Zurück bleibt ein Gelände mit Gebäuden, Produktionsanlagen, Straßen, Plätzen und nicht zuletzt mit möglichen Boden- und Grundwasserbelastungen. Trotz oft erheblichen Werts eines Grundstücks vergeht meistens viel Zeit, bevor es einer neuen Nutzung zugeführt wird. Der damit einhergehende Leerstand führt zu einem tatsächlichen und psychologischen Substanzverlust der Liegenschaft: Gebäude und In­frastruktureinrichtungen, die nicht mehr genutzt und instand gehalten werden, verfallen, oder es erfolgt ein Abbruch ohne vorherige Prüfung einer sinnvollen Nachnutzung.
Oft wird das Grundstück, so wie es liegt und steht, auf dem Markt angeboten. Das entspricht jedoch nicht den Anforderungen des Immobilienmarkts an die professionelle Aufbereitung einer Liegenschaft für eine zukünftige Entwicklung. Nötig sind eine nachhaltige Investitionskalkulation auf der Basis ausreichender liegenschaftsbezogener Informationen und die Zusammenarbeit von Eigentümer, Projektentwickler, Investoren und Genehmigungsbehörden.

Immobilienwirtschaftliche Wertschöpfungspotentiale
Das Raffinerieunternehmen Bayern­oil, das nach mehr als 45 Jahren den Standort Ingolstadt zugunsten der benachbarten Standorte Vohburg und Neustadt a. d. Donau schließen wollte, erkannte die Chancen und Risiken, die mit dem Freiwerden des am Stadtrand gelegenen Geländes verbunden waren. Schon 2006, zwei Jahre vor Beginn des Abzugs, beauftragte Bayernoil Arcadis mit der Beurteilung der immobilienwirtschaftlichen Wertschöpfungspotentiale sowie der Risiko- und Kostenschätzung des Rückbaus der Raffinerieanlagen und der Sanierung von Boden- und Grundwasserbelastungen auf dem 108 ha großen Areal. Arcadis, das aufgrund der Unternehmensschwerpunkte Umwelt, Immobilien und Infrastruktur über das notwendige Know-how in allen für die Entwicklung eines ehemaligen Industriestandorts notwendigen Bereichen verfügt, erarbeitete einen Masterplan für die sinnvolle Folgenutzung der Fläche und die notwendigen Rückbau- und Altlasteninvestitionen. Das Entwicklungsszenario wurde eng mit Bayernoil und der Stadt Ingolstadt abgestimmt und sieht einen komplett neuen Stadtteil mit viel Grün, Wohn- und Gewerbeansiedlung sowie einem bundesligatauglichen Fußballstadion vor.
Übergangslos wurde auf der Grundlage des Masterplans mit dem Rückbau der Anlagen, der Sanierung von Boden- und Grundwasserbelastungen und der Vermarktung von Teilflächen begonnen.

Rückbau und Baustoffverwertung
Für den umweltverträglichen Rückbau der auf dem Gelände befindlichen Anlagen entwickelte Arcadis die Konzepte und übernahm die Ausschreibung und Überwachung der Rückbau- und Entsorgungsleistungen. Eine besondere Herausforderung stellt die Demontage der Prozessanlagen und der 85 bis zu 115.000 m3 großen Tanks dar, in denen die unterschiedlichen Mineralölprodukte gelagert wurden. Die Stahlgiganten werden von Restinhaltsstoffen befreit, anschließend scheibenweise aufgeschweißt, per Seilbagger abgebaut und auf dem Boden weiter zerkleinert, bevor sie als Rohstoff in die Wiederverwertung gehen. Der Stahl wird wie fast alle anderen mineralischen Materia­lien aus dem Rückbau wieder­verwertet. Über 10.000  m3 Betonabbruch wurden bisher direkt vor Ort aufgearbeitet und beim Bau des Fußballstadions eingesetzt.
Bis 2013 sollen sukzessive alle anderen Teilflächen für die neuen Nutzungen freigemacht und vermarktet werden.

Altlastenerkundung und -sanierung
Ab 2007 erfolgte die Untersuchung aller Raffinerieanlagen und der möglichen Schadstoffbelastungen in Boden und Grundwasser. Arcadis, das über weitreichendes Know-how in der Altlastenerkundung und ­-sanierung verfügt, grenzte die Schadensbereiche ein, plante adäquate Sanierungsmaßnahmen und leitete sie ein. Da die Untersuchungen einen wirksamen natürlichen Schadstoffabbau zeigten, kann in großen Bereichen „Monitored Natural Attenuation (MNA)" zur Anwendung kommen, ein effektives und besonders wirtschaftliches Verfahren, bei dem der Abbau der organischen Schadstoffe auf natürlichem Wege erfolgt und kontinuierlich überwacht wird.
Wo die Belastungen dafür zu hoch sind, wird das „Pump & Treat"-Verfahren vorgeschaltet, bei dem belastetes Grundwasser abgepumpt und von Schadstoffen befreit wird.
Auf Teilflächen, die schnell einer Nachnutzung zugeführt werden sollten, veranlasste Arcadis einen Austausch des belasteten Bodens, so z. B. bei der für das Stadion vorgesehenen 20 ha großen Fläche. Sie musste besonders schnell baureif gemacht werden, weil der FC Ingolstadt die Auflage hatte, innerhalb einer kurzen Frist ein bundesligataugliches Stadion vorzuweisen.

Ohne Wertschöpfung keine Investitionen
Bei der Revitalisierung des ehemaligen Raffineriegeländes verfolgt Arcadis einen integrativen Ansatz: Wertschöpfung und Investitionsrisiken werden durch verschiedene Managementtools wie z. B. die Discounted-Cash-Flow-Methode kontinuierlich analysiert und bewertet. Bayernoil hat dadurch jederzeit die Übersicht über zu erwartende Erträge und die Kontrolle über notwendige Investitionen und kann so seiner unternehmerischen Verantwortung nachkommen und Entscheidungen treffen, die bei minimalem Risiko die größte Wertschöpfung bringen.

Interesse von UN und Weltbank
In Ingolstadt entsteht auf dem ehemaligen Raffineriegelände ein attraktives neues Stadtviertel. Dass dafür keine bisher unverbaute Fläche verplant werden muss, entspricht den Zielen der Vereinten Nationen und ihrem Programm UN-Habitat. Dieses Programm zielt dar­auf ab, die weitere flächenhafte Ausbreitung von Groß- und Kleinstädten einzudämmen und sie wirtschaftlich dynamischer und umweltbewusster zu gestalten. Seit März 2010 Arcadis, das weltweit mit 16.000 Mitarbeitern agiert, Partner von UN-Habitat und bringt Wissen und Know-how in Projekte und Fortbildung ein. Gute Beispiele sind immer gefragt. Die Konversion des Bayern­oil-Geländes ist eines: 2010 besichtigte eine zwölfköpfige Delegation der Weltbank das Projekt, um sich über die Vorgehensweise zu informieren und aus den Erfahrungen zu lernen. 

Kontakt

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