Energieoptimierung von Reinräumen
Verfahren zur Anpassung der Luftmengen
Die Verknappung bzw. Verteuerung der weltweiten Energieressourcen rückt das Thema Energieeinsparung in der industriellen Fertigung immer weiter in den Vordergrund. Des Weiteren wird im Zuge der prognostizierten Klimaerwärmung der Ausstoß von CO2 durch industrielle Prozesse immer kritischer betrachtet. Unternehmen die sich dem Thema Energiesparen bzw. CO2 Reduktion annehmen, können Kosten einsparen und die erreichte CO2 Reduktion Imagefördernd einsetzen.
Der Betrieb eines Reinraums ist sehr energieintensiv. Die großen Zuluftmengen die benötigt werden, um die jeweilig erforderlichen Reinheitszustände aufrecht zu erhalten, sind mit immensen Betriebskosten verbunden. Mit Hilfe moderner Strömungssensoren lassen sich jedoch je nach Bau- bzw. Betriebsart eines Reinraums über 50 % der Betriebskosten einsparen bei gleichzeitiger Erhöhung der Betriebssicherheit. Dies kann durch eine bedarfsgerechte Anpassung der Zuluftvolumenströme in den Reinräumen erreicht werden.
Die Fertigung in einer reinen Produktionsumgebung geht mit hohen Kosten einher. Nicht nur die Investitionskosten beim Bau eines Reinraums sind dabei in Betracht zu ziehen sondern auch die Betriebskosten. In einem Reinraum mit turbulenzarmer Verdrängungsströmung und einer Raumhöhe von ca. drei Meter wird die komplette Luft im Raum ca. 600 mal pro Stunde gewechselt. Diese hohen Austauschraten bedingen nicht nur sehr hohe Kosten für die klimatische Konditionierung der Zuluftströme, sondern generieren sehr hohe Kosten für den Antrieb der Ventilatoren der raumlufttechnischen Anlage. Der Stromverbrauch für die Ventilatoren der Zu- und Abluft erheben in vielen Fällen den höchsten Anteil an den Betriebskosten (Abb. 1). Die Senkung der Stromkosten für die Zu- und Abluft birgt in der Regel das größte Potenzial für die Energieeinsparung beim Betrieb eines Reinraums.
Die Abgrenzung eines Reinraums bzw. die Aufrechterhaltung einer Barriere zwischen Bereichen verschiedener Luftreinheitsklassen geschieht derzeit in den meisten Fällen über die Implementierung einer Druckkaskade. Diese Druckkaskade bewirkt, dass die Luft aus Bereichen mit höherer Luftreinheit in Bereiche mit niedrigerer Luftreinheit strömt. Diese Strömung von reinen in unreinere Bereiche verhindert ein Eindringen von Kontaminationen in Bereiche höherer Luftreinheit.
Diese Druckkaskade muss ständig aufrechterhalten werden, da man die einzelnen Reinheitsbereiche von Raum zu Raum nicht hermetisch abgrenzen kann. Die einzige Ausnahme bilden hier sog. Isolatoren, die jedoch noch für flächenmäßig begrenzte, kritische Areale Verwendung finden, da hier im Vergleich höhere Investitionskosten entstehen. Üblicherweise werden in Reinräumen Druckunterschiede zwischen 5 Pa und 20 Pa erzeugt. Dabei wird ein Referenzdruck ermittelt, auf diesen Referenzdruck werden dann die Partialdrücke jeweils zwischen 5 Pa und 20 Pa stufenweise erhöht. Abbildung 2 zeigt eine typische Ausprägung einer solchen Druckkaskade.
Die Inkremente dieser Druckkaskade mit Druckunterschieden nicht unter 5 Pa sind jedoch zur Aufrechterhaltung der Luftreinheit in den einzelnen Reinheitszonen nicht notwendig. Die Druckdifferenzen ergeben sich auf Grund des Auflösungsvermögens der am Markt erhältlichen Drucksensoren. Die ISO 14644-4 definiert lediglich eine minimale Strömungsgeschwindigkeit von 0,2 m/s um Reinheitsbereiche voneinander abzugrenzen. Dies entspricht einem Differenzdruck von unter 0,1 Pa.
Aus diesen Fakten lässt sich ableiten, dass mit einer Messtechnik, die die Präzision aufweist Strömungsgeschwindigkeit von 0,2 m/s von einer in die nächste Reinheitszone zu messen, die Zuluftmengen und daher auch der Energieverbrauch in einem Reinraum merklich gesenkt werden können. Moderne Strömungssensoren weisen diese Präzision auf. Am Markt sind mittlerweile Strömungssensoren erhältlich, die ab einer Luftgeschwindigkeit von 0,05 m/s in der Lage sind, präzise und zuverlässig zu messen.
Funktionsprinzip
Die Regelung einer Reinraumumgebung über die Strömungsgeschwindigkeit zwischen den einzelnen Reinheitszonen erlaubt es bis zu 50 % der energetischen Betriebskosten eines Reinraums einzusparen. Hierbei sind grundsätzlich zwei Arten der Energieoptimierung bzw. der Luftmengenanpassung möglich. Die erste Möglichkeit ist in Phasen des Produktionsstillstands auch „Nachtabsenkung" genannt die Zuluftmengen mit Hilfe der Strömungsmessung auf ein Maß abzusenken, dass die Forderung der ISO 14644-4 erfüllt ist. Schon so sind hohe Einsparungen möglich. Die zweite Möglichkeit ist die komplette Steuerung des Systems auf Basis der Luftmengenanpassung durchzuführen.
Die Messung zur Luftmengenanpassung erfolgt über eine Öffnung in der Reinraumwand. Pro Reinheitsbereich wird eine Öffnung mit einem Maximaldurchmesser von 50 mm benötigt. Dabei wird die Austrittsgeschwindigkeit mit dem Strömungssensor gemessen. Der untere Geschwindigkeitsbereich liegt bei 0,2 m/s was einem Druck von ca. 0,1 Pa äquivalent ist. Gleichzeitig wird die Strömungsrichtung erfasst um das Risiko des Eindringens von Kontaminationen zu bewerten.
Neben der Möglichkeit große Mengen Energie und damit Betriebskosten zu sparen ergeben sich weitere Vorteile für den Betrieb des Reinraums hinsichtlich der Betriebssicherheit. Bei der Steuerung eines Reinraums über den Druck wird die Differenzdruck zwischen den einzelnen Reinheitszonen gemessen. Bei Öffnung einer Türe z. B. fließt die Luft vom Bereich höherer Reinheit in den Bereich niedrigerer Reinheit. Eine Druckdifferenz kann in diesem Moment nicht mehr gemessen werden. Die Zuluftleistung die notwendig ist um die Strömungsrichtung beizubehalten ist ebenfalls nicht mehr messbar. Daher können in diesem Betriebszustand keine Aussagen über die Strömungsrichtung gemacht werden, bzw. die Zuluftmenge nicht bedarfsgerecht angepasst werden. Heutzutage sind Strömungssensoren am Markt erhältlich, die neben einer präzisen Bestimmung der Luftgeschwindigkeit auch eine präzise Bestimmung der Strömungsrichtung erlauben. Die Erfassung der Strömungsrichtung gewährt dem Anwender die Sicherheit, in jedem Moment zu wissen, inwieweit die Reinraumumgebung vor dem Eindringen von Kontaminationen geschützt ist.
Bei der Steuerung der Zuluftmengen des Reinraums mittels Druckmessung muss ein Referenzdruck erfasst werden. An diesem Referenzdruck orientiert sich die komplette Steuerung der Zuluftströme für die gesamte raumlufttechnsiche Anlage. Treten Schwankungen am Drucksensor für den Referenzdruck auf, wirkt sich dieser Umstand auf das komplette raumlufttechnische System des Reinraums aus. Bei der Luftmengenanpassung in Reinräumen über die Strömungsgeschwindigkeit besteht kein Bedarf für die Definition eines Referenzwertes.
Ergebnis
Die Potenziale zur Kostenreduzierung durch angepasste Zuluftmengen sind immens. Die Studie eines namhaften Herstellers aus der Klima- und Lüftungstechnik hat Einsparpotenziale von über 50 % ergeben. Dabei wurden die jeweiligen Energiekosten in Relation zu den verbrauchten Luftmengen bestimmt. Diese Betrachtungen wurden unter Einbeziehung der einschlägigen Normen und Richtlinien wie der DIN V 18599-3 oder der VDI 2067-1 erstellt. Ein Teil der Ergebnisse sind in Abbildung 4 aufgezeigt.
Das Beispiel zeigt auf, dass sich mittels Steuerung einer Reinraumumgebung über die Messung der Strömungsgeschwindigkeit beachtliche Kosteneinsparungen realisieren lassen. Die präzise Messung und der damit verbundenen Möglichkeit der präzisen Steuerung der Luftmengen bergen erhebliche Einsparpotenziale ohne die Kontaminationsrisiken in den einzelnen Reinraumbereichen zu erhöhen. Ein weiterer Vorteil bildet die erhöhte Betriebssicherheit beim Öffnen von Schleusen oder Türen. Die Steuerung der gesamten Zu- und Abluftströme ohne Zuhilfenahme eines Referenzdruckes macht das komplette System zudem stabiler gegenüber Einflüssen von außen.
Quellenangaben sind auf Anfrage beim Autor erhältlich.