Anlagenbau & Prozesstechnik

Kunststoff global – Chancen und Risiken

Der Markt für „den Werkstoff des 21. Jahrhunderts“ ist noch lange nicht ausgeschöpft

25.11.2010 -

Kunststoff ist der Werkstoff des 21. Jahrhunderts, denn Kunststoff ist ein unverzichtbarer Alleskönner. Kaum etwas geht ohne ihn. Entsprechend steigen Kunststoffproduktion und -nachfrage seit Jahrzehnten. Weniger beachtet wurde bislang die Rolle des Kunststoffs als Ressourcenschoner.

Zeichen stehen auf Wachstum

Seit mehr als 50 Jahren wächst die Kunststoffproduktion Jahr für Jahr. 1950 wurden weltweit 1,5 Mio. t produziert, 2006 waren es 245 Mio. t Kunststoff. Die Steigerungsrate der weltweiten Kunststoffproduktion liegt bei 9,5%. Von 1993 bis 2006 hat sich die Menge der weltweit produzierten Kunststoffe fast verdoppelt. Wichtigste Produktionsregion ist derzeit mit einem Gesamtanteil von 37,5% Asien, wobei hier allein China auf einen Anteil von 14,5% und Japan auf 6% kommt.
In Europa wird mit 60 Mio. t rund ein Viertel aller Kunststoffe produziert. Deutschland ist hier mit seinem Anteil von 8% an der globalen oder 30% an der europäischen Produktion klar die Nummer eins. 2006 stieg die deutsche Produktion insgesamt um 2,7% auf 18,5 Mio. t, der Umsatz lag bei 22,2 Mrd. €. Auch im Jahr 2007 gab es in Deutschland ein Produktionsplus. Bis zur Jahresmitte lag es bei ca. 3%. 18% der europäischen Kunststoffe kommen aus dem Benelux-Raum, 11% aus Frankreich und 7% aus Italien.

Die Nachfrage nach dem Allround-Werkstoff Kunststoff, der in Transport und Verkehr ebenso zum Einsatz kommt wie am Bau, in der Medizin, in der Verpackung oder im Sport, ist auch 2008 ungebrochen. Wichtig zu wissen: Die Kunststofferzeuger in Europa produzieren für Europa. Das zeigen die Exportzahlen deutlich.
Weltweit wichtigste Kunststoffgruppe sind, was den Verbrauch angeht, die Polyolefine, und hier allen voran das Polyethylen. Es hält in seinen verschiedenen Qualitäten einen Marktanteil von 31%. Polypropylen erreicht einen weltweiten Anteil von 21%, dann folgt bereits das PVC mit 17%. Im Jahr 2006 wurden weltweit insgesamt 205 Mio.t Kunststoff verbraucht: ca. 175 Mio.t Standardkunststoffe und knapp 20 Mio. t technische Kunststoffe. Hinzu kommen noch die Polyurethane.
Keine exakten Zahlen gibt es darüber, welches global gesehen die wichtigsten Einsatzgebiete für Kunststoff sind. Anders in Europa: Hier ist es der Verpackungssektor, der die meisten Kunststoffe verbraucht, nämlich 37%. Mit 21% folgen der Bau, mit 8% der Automobilbereich und mit 6% der Elektro-/Elektroniksektor.

Kunststoff wird heute insbesondere deshalb eingesetzt, weil er vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten bietet, einfach und sicher zu verarbeiten ist sowie ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis aufweist. Hinzu kommt sein großes Potential zur Ressourcenschonung und zum Energiesparen. All diese Vorteile führen in Summe dazu, dass Kunststoff auf breiter Front herkömmliche Werkstoffe ersetzt. Kaum ein neues, innovatives Produkt kommt heute ohne Kunststoff auf den Markt. Im Bereich erneuerbarer Energien wird besonders deutlich, wie unverzichtbar Kunststoff tatsächlich ist: Aus ihm werden Rotorblätter für Wind- und Rohre für Wasserkraftanlagen gefertigt, aber auch Membranen für Brennstoffzellen oder Tanks für die Lagerung von Biomasse. Er bildet auch die Basis für Solarzellen, Kollektorgehäuse und Rohrisolierungen und ermöglicht ganz neue Wege der Energiegewinnung, z.B. in der Photovoltaik. All dies zeigt: Kunststoff ist unersetzlich.

Das Margenproblem bleibt

Prinzipiell kann selbstverständlich jede Kohlenstoffquelle als Rohstoff für die Kunststoffproduktion eingesetzt werden, sei es Erdöl, Gas, Kohle oder Biomasse. Vernünftigerweise sollte jeweils der ökoeffizienteste Weg ausgewählt werden. Die Kunststoff-Industrie setzt heute nachwachsende Rohstoffe immer dort ein, wo sie ökonomische und technische Vorteile bieten. Der allergrößte Teil der Kunststoffe wird aber auf Basis von Rohöl hergestellt, das mit 100 US-$ für ein Barrel schon am ersten Tag des Jahres 2008 einen neuen Rekordpreis erreichte. Vor 10 Jahren, 1998, lag der Ölpreis noch deutlich unter 20 US-$, 2003 wurden weniger als 30 US-$ bezahlt. Heute würde wohl kaum jemand auf dauerhaft fallende Ölpreise wetten. Die Nachfrage nach Öl bleibt hoch, und damit auch sein Preis. In der Folge bleiben die knappen Margen der Kunststofferzeuger weiter unter Druck. Deshalb werden die Kunststofferzeuger auch in Zukunft darauf setzen, das Innovationspotential der Kunststoffe konsequent auszuschöpfen und zu erschließen sowie ein aufeinander abgestimmtes Bündel an Maßnahmen umzusetzen: Rationalisieren, Umstrukturieren, Fusionieren, Konzentrieren.

Klimaschutz und Mobilitätssicherung mit Kunststoff

Wir wissen heute, dass der Ausstoß von Treibhausgasen sinken und der Energieverbrauch reduziert werden muss. Die Möglichkeiten, mit Lösungen aus Kunststoff Energie zu sparen, sind dabei heute noch längst nicht ausgeschöpft.

Wohnen, Mobilität und Warentransport verbrauchen heute den größten Teil des Öls, und dabei wird besonders viel Kohlendioxid erzeugt. Fast 90% des Erdöls in Europa werden als Brenn- oder Treibstoff verwendet und nur ein einziges Mal genutzt. Doch wie kann man hier sparen? Transporte etwa lassen sich aber kaum wesentlich verringern: Der Warenaustausch von Industrie und Gewerbe ist weitgehend optimiert. Ziel muss es also sein, beim Reisen und Transportieren Energie zu sparen. Es gibt gute Ansätze: Leichtere Verkehrsmittel, denn je leichter ein Auto oder auch ein Flugzeug, desto geringer sein Energieverbrauch. Weil Kunststoffe besonders leicht sind, sparen Autos, Züge, Schiffe und Flugzeuge mit vielen Kunststoff-Komponenten viel Öl - bei jeder Fahrt, bei jedem Flug. Die 787-Dreamliner-Jets von Boeing setzen bereits neue Maßstäbe. Sie bestehen fast zur Hälfte aus Kohlerfaser-Verbundmaterial, Rumpf und Flügel werden fast vollständig aus Verbundwerkstoffen gebaut. Allein dadurch verringert sich das Gewicht des Fliegers um bis zu 10 t. Beim Airbus A 350 XWB geht man noch einen Schritt weiter. Die Maschine mit dem extraweiten Rumpf wird zu 52% aus Verbundwerkstoffen bestehen, denn jedes Gramm Gewichtsersparnis zählt. Das gilt auch beim Auto. Der Kunststoffanteil am Gesamtgewicht eines Fahrzeugs beträgt heute bis zu 15%. Eine Vielzahl von Bauteilen eines Fahrzeugs sind aus Polymeren gefertigt. Kunststoff bietet eine unerschöpfliche Formgebungsvielfalt und steigert damit nicht nur Sicherheit und Komfort, sondern senkt auch den Kraftstoffverbrauch durch reduziertes Fahrzeuggewicht und wenig Luftwiderstand. Bei einem durchschnittlichen Pkw haben Kunststoffkomponenten bereits viele herkömmliche, zumeist schwerere Materialien ersetzt. Das wirkt sich günstig auf die Umweltbilanz aus. Ausgehend von einer Nutzungsdauer von 10 Jahren und einer Fahrleistung von 20.000 km jährlich sparen die Pkws allein auf Europas Straßen ca. 2,4 Mio. t Kraftstoff im Jahr.

Bauen mit Kunststoff

Im mitteleuropäischen Klima ist das Heizen ein echter Energiefresser. Immer noch verbrauchen in Deutschland mehr als zwei Drittel aller Wohnungen jährlich 20 l Heizöl pro Quadratmeter Wohnfläche - eine ganz erhebliche Reduzierung ist aber schon heute möglich! Die technischen Möglichkeiten dafür sind lückenlos vorhanden, ausgereift und in der Praxis erprobt. Eine der wichtigsten Säulen ist die Gebäudedämmung mit Kunststoff. Das 3-Liter-Haus wurde damit längst Wirklichkeit. Und das Konzept funktioniert nicht nur beim Neubau: Auch bei energiefressenden Altbauten kann der Verbrauch von 20l auf 3l pro Jahr und Quadratmeter reduziert werden. Bei Passivhäusern, die zusätzlich zur Dämmung Isolierfenster, Warmluft-Rückgewinnung und Solarkollektoren haben, sinkt der jährliche Heizwärmebedarf im mitteleuropäischen Klima sogar auf unter 1,5 l/m². Und in Zukunft geht noch mehr: Schon heute bewähren sich Null-Heizenergie-Häuser, die ganz auf fossile Energieträger verzichten.

Weniger Verbrauch dank Kunststoffen

Auch im Haushalt erschließt Kunststoff große Sparpotentiale, beim Waschen z.B. einen um 50% reduzierten Wasserverbrauch je Waschgang. Der heute aus Kunststoff geformte Laugenbehälter ist so perfekt geformt, dass sog. Toträume, in denen Wasser ungenutzt steht, so klein wie möglich bleiben. Oder mehr als 60% Stromersparnis bei Gefrierschränken mit hochwertigen Isolierschäumen aus Kunststoff und neuester Technik der Effizienzklasse A++.

Auch das Verpacken ohne Kunststoff ist schlicht undenkbar. In Europa werden mehr als 50% aller Waren mit Kunststoff verpackt. Dennoch macht Kunststoff dem Gewicht nach nur rund 17% aller Verpackungsmaterialien aus. Mit wenig lässt sich also enorm viel verpacken, und die Produkte kommen unversehrt, frischeversiegelt und richtig temperiert beim Verbraucher an. Die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) hat ermittelt, was passieren würde, wenn es keine Kunststoffpackmittel mehr gäbe. Dabei wurde zugrunde gelegt, dass Kunststoffbecher, Folienverpackungen, Fässer und vieles mehr durch praktikable Alternativen aus Papier, Pappe, Karton, Glas, Weißblech und Stahl, Aluminium oder Holz ersetzt würden. Das Ergebnis: Das Verpackungsgewicht würde auf das Vierfache steigen, der Energieverbrauch für die Herstellung auf das 1,5-fache, die Produktionskosten wären rund zwei Mal so hoch.

Werkstoff des 21. Jahrhunderts

Kunststoff ist der Werkstoff des 21. Jahrhunderts. Insbesondere in der aktuellen Diskussion über Energie und Klimaschutz hat er viel Positives einzubringen. Kunststoff hat, auch dies ist ein wichtiges Argument für seinen Einsatz, das bei der Produktion eingesetzte Öl nur „geborgt", während es z.B. beim Heizen unwiederbringlich verloren ist. Die im Kunststoffprodukt gespeicherte Energie kann durch Recycling erneut genutzt oder auch zur Wärmegewinnung im Heizkraftwerk verwendet werden. Kunststoff hat also alle Trümpfe in der Hand, und die Kunststoff-Industrie verfügt noch über ein ganz erhebliches Wachstumspotential, das es auszuschöpfen gilt. Die Kunststofferzeuger wollen dies tun und sind sicher, dass ihr Werkstoff weiter wachsen wird.