Anlagenbau & Prozesstechnik

Kontaminationsfreies Handling

Auswirkungen des Annex 1

29.09.2010 -

In der Novelle zur Annex 1 wird auf EU Ebene ein kontaminationsfreies Handling im Gefriertrocknerbereich gefordert. Die Annex 1 zieht damit nicht nur mit internationalen Standards gleich, sondern setzt auch ein starkes Zeichen hin zu erhöhten Qualitäts- und Sicherheitsstandards im pharmazeutischen Abfüllbereich. Der vorliegende Bericht beschäftigt sich speziell mit dem Bereich des kontaminationsfreien Handlings im Lyophilisations-Bereich.

Da trotz verschärfter Auflagen immer noch ein Restrisiko nach dem Lyophilisationsprozess durch ein mögliches Lösen eines Stopfens besteht, gelten ab dem 1. März 2010 für das Verbördeln von lyphilisierten Vials folgende neue Rahmenbedingungen:
„Vor dem endgültigen Verschließen sollte der Transfer von partiell verschlossenen Behältnissen, wie sie beim Gefriertrocknen verwendet werden, entweder in einem Bereich der Reinheitsklasse A mit einem Umgebungsbereich der Klasse B oder in geschlossenen Transfersystemen in einem Bereich der Reinheitsklasse B erfolgen. Partiell verschlossene Behältnisse, wie sie beim Gefriertrocknen verwendet werden, sollten solange unter Klasse A-Bedingungen behalten werden, bis der Stopfen vollständig eingeführt ist." (Auszug aus der Annex 1)

Neue Herausforderungen
Mit der Annex 1 Änderung sind sowohl die produzierenden Unternehmen als auch die Equipment- und Anlagenhersteller gefordert neue Überlegungen für betroffene Produktionsbereich anzustellen.

Zur Ausgangslage:

  • In vielen Pharmaproduktionen werden Lyo-Anlagen direkt vom Reinraum der Klasse B oder B+ bestückt und auch entladen. Bei dieser Situation besteht nun das Risiko des Transportes zur Bördelung oder zur Verschlussanlage.
  • Auch ist es durchaus ein gängiger Weg Durchreiche Lyo Anlagen zu verwenden. Die Entladung erfolgt meist in der Peripherie-Reinraumzone der Klasse B-C oder niedriger. Das Risiko des Stopfenabbruchs oder -abfalls ist in diesem Fall entsprechend hoch anzusetzen.
  • Eine weitere Herausforderung entsteht in der Zwischenlagerung. Die Entladung und Verbördelung ist nicht immer als zeitgleicher [und zeitaufwändiger] Prozess anzusehen. Meist müssen die Produkte zwischen den einzelnen Bereichen mehrere Stunden und oft Tage zwischengelagert werden.
  • In der Regel gibt es in den meisten Produktionsabteilungen Standortbezogene, individuelle Lösungen für das Entladen, den Transport und die Zwischenlagerung.

Grundsätzlich stehen dem Nutzer nun verschiedene Lösungsansätze in der Umsetzung zur Verfügung:

Lösung 1: Gesamtes Handling und Transport unter Reinraumbedingungen Klasse A
Dabei werden, Laminarflow Einheiten oder Filterdecken nach Klasse A installiert. Die Räume oder zumindest die Zonen werden als Klasse A bzw. B+ qualifiziert. Dies bedeutet in der Regel eine Reihe von organisatorischen, baulichen, logistischen und infrastrukturellen Maßnahmen. Bei der Installation von mehreren Lyophilisationsanlagen an unterschiedlichen Räumen oder gar Gebäuden an einem Standort erhöht sich diese Problematik.

Angemerkt seinen hier nur einige dieser Themen:
Bei einer solchen Lösung werden sehr hohe Luftmengen transportiert die einerseits großen Rückströmflächen benötigen und andererseits zu gravierenden Querströmungen führen können.
Schallbehandlung und Temperatureintrag sind entscheidende und oft nicht lösbare Herausforderungen.
Die Schleusenprozesse und Zugänglichkeiten sind ungemein aufwändig und blockierend.
Diskussionsbehaftet bleiben die Investions- und Betriebskosten, welche im Vergleich zur herkömmlichen Prozessgestaltungen sehr hoch zu bewerten sind. Hinzu kommt, dass sich die tägliche Nutzung oft schwierig und unkontrollierbar gestaltet.

Unter Berücksichtigung all dieser Punkte, sind solche Lösungen in der Regel nur für Einzel Lyo Anlagen sinnvoll.

Lösung 2: Vollautomatisierte Lyo-Prozesse
Dabei wird der gesamte Be- und Entladebereich unter Reinraumklasse A gesetzt und der Materialflussprozess durch Roboteranlagen durchgeführt. Diese Lösung ist in Bezug auf Reinheit und Produktsicherheit der effektivste Weg, bedeutet jedoch einen sehr hohen technischen Aufwand.
Die Ausschussraten vervielfachen sich meist gerade am Beginn eines Prozesses und die Wartungs- und Requalifizierungsaufwendungen fallen selbst nach mehreren Monaten und Jahren wesentlich höher aus, als bisher angenommen. Nicht zu vernachlässigen ist die vergleichsweise schwierige Gestaltung eines Dekontaminationsprozesses für automatisierte Anlagen.
Was tun, wenn die Fabrik nicht auf eine Automatisierung ausgerichtet ist, oder Lyoanlagen nur vereinzelt in unterschiedlichen Herstellungsebenen gebraucht werden?
Ortner Reinraumtechnik hat dazu einen 2-Schritte-Plan entwickelt, um solche Anforderungen Annex 1 konform zu lösen.

Lösung 3: Minienvironment mit halbautomatisierten Handling
1. Mit der Minienvironment Lösung wird der unmittlbare Be- oder Entladebereich kleinflächig unter die Reinraumklasse A gesetzt.
Um hier die größtmögliche Sicherheit zu erhalten, erstellt die Firma Ortner im Vorfeld immer umfassende Simulationen für unterschiedliche LF-Größen und LF-Konditionen. Die damit verbundenen Strömungscharakteristika können so mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit erkannt und die entsprechenden Maßnahmen bereits im Bau der Anlagen umgesetzt werden.
„Eine der bemerkenswertesten Simulationserkenntnisse für uns ist, dass großflächige LF Einheiten, die gleichgerichtete Kolbenstörmung nur bis ca. 1500mm oberhalb des Bodens möglich machen. Im Bodenbereich und speziell im unteren Lyo Bereich entsteht damit ein Staudruck und sogar einen Strömung von unten nach oben - entgegen der Laminarströmung. Eine genaue Positionierung und das Design der LF-Anlagen ist ausschlaggebend für eine optimale Strömung. Simulationen machen sich bewährt und sparen damit Kosten. Viel wichtiger ist, dass sich durch solche Berechnungen das Risiko entsprechend reduzieren lässt", Josef Ortner, Geschäftsführer der Ortner Reinraumtechnik GmbH.

2. Um den Operator vor dem direkten Kontakt mit dem Gebinde zu schützen, wurde als zweiten Schritt eine halbautomatisierten mobilen Transferanlage entwickelt. Für den Transport und die Zwischenlagerung werden halbautomatische Laminar Flow Carts (LF-Carts) eingesetzt. Um die Anforderungen der Annex 1 zu gewährleisten, ist das LF-Cart der Firma Ortner mit Filter-Fan-Unit-Modulen ausgestattet. Die Beladung der LF-Carts sowie das Entladen bzw. Bestücken der Bördelanlage erfolgt mittels dieser Transferanlagen. Das Endprodukt bleibt während des gesamten Zwischenprozesses unter der Reinraumklasse A.

Höchstmögliche Flexibilität hieß die Herausforderung bei der Entwicklung der LF-Carts an das Produktmanagement der Firma Ortner:
In den Lyo Anlagen werden unterschiedliche Gebindegrössen verwendet. Die Fachböden im LF Cart sind variabel auf die Flaschengrössen adaptierbar.
Durch die beidseitigen Schiebtüren ist ein flexibles Handling der Carts von beiden Seiten aus möglich.
Die Carts werden über Akkus betrieben und ermöglichen damit einen netzunabhängigen Einsatz.
Die Carts verfügen über eine Akku betriebene Selbstfahreinrichtung. Damit ist das Bedienen und Bewegen der Carts trotz hoher Belademasse und hohem Eigengewicht für den Nutzer jederzeit möglich.
Die LF-Carts sind mit einer Reihe von Überwachungs- und Sicherheitssysemen wie z.B.: eine Filter- und Strömungsüberwachung, ein Wegfahrsperre, Bedienercode, untersch. Signalleuchten, Lade- oder Akkustand ausgestattet.

Fazit
Mit diesem 2-Schritte Konzept spielen Parameter wie Positionierung von Lyoanlagen oder LF-Bautypendiskussionen keine Rolle mehr. Eine Realisierung solcher Projekte ist selbst bei schwierigen Raumsituationen jederzeit möglich. Nicht zu verachten ist, dass das Handling über fahrbare Minienvironments eine vergleichsweise kostengünstige und flexible Nutzungsmöglichkeit für den Lyo-Bereich darstellt. Die großen Vorteile liegen neben der flexiblen Einsetzbarkeit, vor allem in der einfachen und unkomplizierten Handhabung. 

Kontakt

Ortner Reinraumtechnik GmbH

Uferweg 7
9500 Villach
Österreich