Forschung & Innovation

Die süße Seite der Wasseranalytik

HPLC-ESI-MS/MS-Bestimmung von Süßstoff-Spuren aus Wasser

12.02.2010 -

Künstliche Süßstoffe begegnen uns tagtäglich im Supermarkt als Zusatzstoffe in Lebensmitteln und Getränken - nicht zu vergessen natürlich die kleinen Tabletten zum kalorienarmen Süßen von Kaffee oder Tee. Durch den Konsum dieser Chemikalien gelangen einzelne, stabile Vertreter dieser Stoffklasse, vor allem der Süßstoff Acesulfam, in das kommunale Abwasser und lassen sich von nun an als ideale Abwasser-Markierungsstoffe verwenden. Voraussetzung hierfür ist der spurenanalytische Nachweis mittels HPLC-ESI-MS/MS, wofür vor kurzem ein neues Analysenverfahren am DVGW-Technologiezentrum Wasser (TZW) in Karlsruhe entwickelt wurde.

Um Übergewicht und Karies entgegenzuwirken, werden heutzutage in vielen Ländern Lebensmittel, Getränke und Körperpflegemittel, wie zum Beispiel Zahncremes oder Mundwässer, mit künstlichen Süßstoffen, gesüßt (Abb. 1). Diese Stoffe zeichnen sich dadurch aus, dass sie bis zu mehrere Tausend Mal süßer sind als herkömmlicher Tafelzucker und keine oder nur vernachlässigbar wenige Kalorien liefern. Wegen des eng begrenzten Spektrums ihrer Anwendung können diese Verbindungen sehr gut als Abwasserindikatoren dienen, etwa um in einem Wasserwerk zwischen den Anteilen abwasserunbeeinflussten landseitigen Grundwassers und echten Uferfiltrats zu unterscheiden. Im Gegensatz zu anderen sog. Abwasser-Tracern kommen die Süßstoffe in der Natur nicht vor und haben als Quelle praktisch nur kommunales Abwasser. Einige Vertreter, in Deutschland insbesondere Acesulfam, treten in vergleichsweise hohen Konzentrationen in den Gewässern auf und sind schwer abbaubar. Um diese Indikator-Funktion nutzen zu können, bedarf es einer zuverlässigen, quantitativen Spurenanalyik aus wässriger Matrix, auf die im Folgenden etwas näher eingegangen wird.

Analytische Herausforderungen und ihre Lösung

Als Zielsubstanzen wurden sieben gängige Süßstoffe [1] in die Untersuchungen einbezogen. Ihre Strukturformeln sind in Abbildung 2 wiedergegeben.
Die analytische Herausforderung bei der Bestimmung der ausgewählten Süßstoffe besteht einerseits darin, so unterschiedlich polare Stoffe wie die kleinen anionischen Moleküle von Acesulfam, Cyclamat und Saccharin zusammen mit Sucralose, das nur sehr schwach saure OH-Funktionen enthält, in einem Analysengang zu vereinigen. Dies betrifft sowohl die Extraktion aus der Wasserprobe als auch Trennung und Detektion mittels HPLC-ESI-MS/MS.
Die Einzelheiten der analytischen Bestimmung einschließlich der Methodenentwicklung sind in [1] publiziert. Die Vorgehensweise ist in Abb. 3 schematisch dargestellt.

Extraktion aus der Wasserprobe

Eine Schwierigkeit bei der Festphasen-Extraktion (SPE) der Süßstoffe aus wässriger Matrix besteht darin, dass diese gut wasserlöslichen Stoffe auf einer Reihe von konventionellen Umkehrphasen bei Anreicherungsvolumina von mehreren hundert Millilitern bereits zu einem größeren Anteil durchbrechen. In einer vorangegangenen Arbeit zur Bestimmung von Sucralose [2] wurde für diesen Süßstoff eine Wiederfindung von 62% bei der Anreicherung von 400 ml einer neutralen Trinkwasserprobe auf Oasis HLB-Kartuschen (Waters) erreicht. Durch Verringerung des Probenvolumens auf 50 ml und der Anreicherung an 200 mg Bakerbond SDB 1 (J.T. Baker) bei pH 3 konnte die Wiederfindung von Sucralose auf 88% gesteigert werden [1]. Auch die noch polareren Süßstoffe Acesulfam, Cyclamat und Saccharin wiesen unter diesen Bedingungen brauchbare Wiederfindungen aus Karlsruher Trinkwasser zwischen 71 und 88% auf.

Trennung und Detektion

Die HPLC-Trennung erfolgt mit einem HPLC-System des Typs 1200 SL (Agilent) an einer Zorbax Eclipse XDB-C18-Trennsäule (50 x 4,6 mm; 1,8 µm; Agilent) bei 40°C und einem Fluss von 0,8 ml/min mit einem Wasser-Methanol-Gradienten unter Zusatz von jeweils 20 mmol/l Ammoniumacetat in beiden Laufmitteln. Das Injektionsvolumen beträgt 15 µl. Nicht alle Analyten besitzen zwei oder mehr intensive und spezifische Massenübergänge für die Identifizierung. Die Retentionszeit ist daher trotz der hohen Selektivität der Tandem-Massenspektrometrie ein sehr wichtiges Kriterium zur Identifizierung. Deshalb wird in Zweifelsfällen zur Absicherung eine Trennung auf einer zweiten analytischen Säule (Hypercarb, 150 x 2,1 mm; 5 µm; Thermo Fisher Scientific) mit sehr unterschiedlicher Polarität durchgeführt.

Die ESI-MS/MS-Detektion findet mit einem API 4000 Q-Trap Triple-Quadrupol-Massenspektrometer (Applied Biosystems) im negativen Modus statt. Die Empfindlichkeit bei der Detektion der Süßstoffe konnte durch Nachsäulenzugabe von 5 µl/min einer Lösung von 20 mmol/l des sog. TRIS-Puffers (Tris(hydroxymethyl)aminomethan) deutlich gesteigert werden. Dies ist insbesondere für die Verbesserung der Detektion für die sehr schlecht deprotonierbare Sucralose wichtig. Unter diesen Bedingungen werden Bestimmungsgrenzen der einzelnen Verbindungen aus Trinkwasser zwischen 1 ng/l (Neotam) und 10 ng/l (Sucralose) erreicht. In Abbildung 4 ist als Beispiel das Chromatogramm einer Wasserprobe aus dem Rhein dargestellt.

Ausführliche Untersuchungen während der Methodenentwicklung zeigten, dass reduzierte Wiederfindungsraten bei der Analyse der Süßstoffe aus Oberflächenwässern und Abwässern auftreten. Mit Ausnahme von Aspartam gehen die beobachteten niedrigeren Wiederfindungsraten bei den übrigen sechs Süßstoffen auf Ionensuppression zurück. Um diese Effekte zu minimieren, werden Kläranlagenzuläufe um den Faktor 10 und Kläranlagenabläufe um den Faktor 5 mit der Kalibriermatrix (blindwertfreies Karlsruher Leitungswasser) verdünnt. Zusätzlich werden für die Quantifizierung der beiden hinsichtlich des Vorkommens und der Persistenz wichtigen Süßstoffe Acesulfam und Sucralose die deuterierten internen Standards Acesulfam-d4 und Sucralose-d6 über das Gesamtverfahren eingesetzt. Auch für Saccharin ist ein deuterierter Standard (Saccharin-d4) verfügbar, der in Kürze ebenfalls in die Methode integriert wird.

Die Kalibrierungen über das Gesamtverfahren verlaufen über einen weiten Konzentrationsbereich bis zu drei Größenordnungen linear (Abb. 5).

Ergebnisse bisheriger Untersuchungen und Ausblick

Die bisherigen Untersuchungen mit der neuen Methode des TZW und ähnliche Untersuchungen in der Schweiz [3] haben gezeigt, dass die vier Süßstoffe Acesulfam, Cyclamat, Saccharin und Sucralose häufig in Kläranlagenabläufen, Oberflächenwässern, Grundwässern und auch in Trinkwässern vorkommen. In Deutschland liegt Acesulfam mit bis zu etwa 3 µg/l in Oberflächengewässern mit Abstand in den höchsten Konzentrationen dieser vier Stoffe vor. Da es schwer abbaubar und spezifisch für kommunale Kläranlagenabläufe ist, stellt es einen idealen Tracer für (gereinigtes) Abwasser dar. Damit lassen sich u.a. abwasserbürtige Anteile eines Gewässers ermitteln. Auch Leckagen im Abwassersystem, die zu Grundwasserverunreinigungen führen, können auf diese Weise eindeutig nachgewiesen werden. Sofern die in Oberflächen- und Grundwässern gefunden Spuren im µg/l -Bereich ganz oder teilweise in ein Trinkwasser gelangen, ist dies aus toxikologischer Sicht nach derzeitigem Kenntnisstand sicherlich als unkritisch zu betrachten, da die ADI-Werte (Acceptable Daily Intake) dieser Lebensmittelzusatzstoffe im Bereich vom Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag liegen [4]. Das heißt, ein Verbraucher müsste mehrere Jahrzehnte täglich zwei Liter eines solchen Wassers trinken, um die Menge einer maximal empfohlenen Tagesdosis zu sich zu nehmen. Dennoch gehören persistente, naturfremde Stoffe nicht in den Wasserkreislauf und schon gar nicht ins Trinkwasser. Vermeiden lässt sich dies am einfachsten durch einen Verzicht auf solche Lifestyle-Produkte, die künstliche Süßstoffe enthalten. Beispielsweise gibt es auch andere Wege, um abzunehmen, als süßstoffhaltige Speisen und Getränke zu konsumieren - wie wäre es denn zum Beispiel mit einer ausgewogenen Diät und sportlicher Betätigung?

Literatur
[1] Scheurer M. et al.: Analysis and occurrence of seven artificial sweeteners in German waste water and surface water and in soil aquifer treatment (SAT), Anal. Bioanal. Chem. 394(6) 1585-1594 (2009)
[2] Loos R. et al.: Sucralose screening in European surface waters using a solid-phase extraction-liquid chromatography-triple quadrupole mass spectrometry method, J. Chromatogr. A 1216, 1126-1131 (2009)
[3] Buerge, I.J. et al.: Ubiquitous occurrence of the artificial sweetener acesulfame in the aquatic environment: an ideal chemical marker of domestic wastewater in groundwater, Environ. Sci. Technol. 43(12) 4381-4385 (2009)
[4] Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Bewertung von Süßstoffen, Information des BfR vom 21. August 2003, http://www.bfr.bund.de/cm/208/bewertung_von_suessstoffen.pdf.

Kontakt

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