Strategie & Management

Abwärme sinnvoll nutzen

Klimaschutz in der Raffineriepraxis

02.02.2010 -

Umweltschutz und die effiziente Nutzung von Energie in jeglicher Form gewinnt zunehmend an Priorität, derer sich Unternehmen annehmen müssen. In Raffinerien ergibt sich bei einer Vielzahl von potentiellen Wärmequellen die Frage nach einer möglichen und auch wirtschaftlichen Verwertung der Abwärme zur Verringerung des Energieeinsatzes. Die OMV in Wien hat hierauf in Zusammenarbeit mit John Brown Voest (JBV) eine Antwort gefunden.

Produktströme der Rohöldestillation werden im Gegenstrom mit dem Rohöl über Rohrbündelwärmeübertrager gekühlt und damit das Rohöl vorgewärmt. Dieses Vorgehen stellt einen ersten Schritt bei der effizienten Nutzung von Abwärme dar. Für den oft notwendigen letzten Kühlabschnitt von ca. 200 °C auf 50 bis knapp 100 °C steht außer Luft und Kühlwasser in der Regel kein geeignetes Kühlmedium zur Verfügung. Auch in der OMV Raffinerie Schwechat bei Wien wurden dafür bisher Luft- und Kühlwasser-Kühler eingesetzt. Gleichzeitig existiert bereits seit 1985 in der OMV-Raffinerie eine Fernwärmestation, in der mittels Niederdruck- und Mitteldruckdampf Heißwasser erzeugt und an das Fernwärmenetz der Stadt Wien, betrieben von den Heizbetrieben Wien (HBW), übergeben wurde. So wurden Wärmeströme aus der Raffinerie zur Wärmeversorgung privater Haushalte ausgekoppelt.

Neues Wärmenutzungskonzept

Seit einem Jahr betreibt OMV in Zusammenarbeit mit HBW hier eine weitere integrierte Anlage zur Wärmerückgewinnung aus dem bereits genannten letzten Kühlabschnitt, in der etwa 20 MW bisher ungenutzte Abwärme aus der Rohöldestillation zur Vorwärmung des Wasserkreislaufes der HBW sinnvoll eingesetzt werden. Die Idee zur energetischen Verknüpfung von Wärmequellen mit Wärmesenken über die eigentlichen Anlagengrenzen wurde von der Technologie-Abteilung der OMV entwickelt. Allgemein besteht in Raffinerien ein Mangel an geeigneten Wärmeverbrauchern im unteren Temperaturbereich, um Abwärme nutzen zu können. Im Fall von OMV besteht mit der erwähnten Anlage eine Möglichkeit diese Abwärme zu nutzen. Vorstudien zu diesem Projekt bestätigten grundsätzlich die technische Machbarkeit der Wärmerückgewinnung aus Produktströmen der Rohöldestillation, verwiesen jedoch erwartungsgemäß auf fehlende Wärmeabnehmer. Als Konsequenz wurden nur die Wärmeströme für die Abwärmenutzung gewählt, die eine kontinuierliche Wärmeübernahme auf das Fernwärmenetz aufgrund der vertraglich limitierten Grundlast gewährleisteten.

Die Projektaufgabe bestand darin, die bestehenden Einrichtungen in der Raffinerie so zu verknüpfen, dass eine effektive Wärmerückgewinnung erfolgt und die bisher eingesetzten Primärenergieträger zur Dampferzeugung eingespart werden können. Dabei oblag JBV die Identifikation, Verifikation einschließlich der wirtschaftlichen Bewertung ausgewählter Wärmequellen und -ströme sowie die dazugehörige Systemauslegung und die planerische Umsetzung bis zum Status eines Extended Basic Engineering. Die technische Grundkonzeption sollte dabei folgende Punkte berücksichtigen:

  • keine Auswirkungen auf die Verfügbarkeit der Raffinerieanlage und die Stabilität der betreffenden Verfahrensschritte,
  • jahreszeitabhängige Schwankungen der Wärmeabgabe,
  • jederzeit mögliche Auskopplung der Wärmerückgewinnung aus dem Kühlprozess.

Die besondere Herausforderung war dabei der Betrieb der Anlage mit den häufigen und auch gegensätzlichen Schwankungen zwischen Wärmeangebot und Wärmebedarf, verursacht durch die veränderlichen Fahrweisen der Raffinerie und dem typischen Tages- bzw. Saisonprofil einer Fernwärmeversorgung.

Nach aufwendigen Analysen und unter Beachtung von Sonderfällen wurden die Produktströme

  • Leichtes Gasöl (T1)
  • Schweres Gasöl (T2)
  • Spindelöl (T3)
  • Atmosphärischer Rückstand (T4)

zur Wärmerückgewinnung ausgewählt. Bei der Auswahl spielten die Kriterien einer möglichst hohen Produkttemperatur, die übertragbare Wärmemenge sowie eine möglichst geringe Beeinflussung der Anlagenstabilität die Hauptrolle. Mithilfe dieser zusätzlichen Wärmeströme lassen sich im konkreten Fall 20 MW Abwärme, oder auf die jährliche Laufzeit bezogen 144 GWh nutzen - der Jahresverbrauch von etwa 8.200 deutschen Haushalten (Quelle: Stat. Bundesamt 2007).

Mittels in Reihe zu den vorhandenen Luft- bzw. Wasserkühlern geschalteten Wärmeübertragern wird die Wärme aus den gewählten Produktströmen ausgekoppelt. So lässt sich die Wärmerückgewinnung zu- und abschalten, ohne den Betrieb der Raffinerie zu beeinflussen. Die bisher verwendeten Luft- bzw. Wasserkühler werden nur noch als „Back-Up"‑Systeme oder ohne Wärmeübertragung betrieben. Die Umrüstung der Luftkühler für die neuen Betriebsfälle war ebenfalls Teil des Projektes und wurden von JBV geplant und realisiert. Dabei wurden Lüftermotoren teilweise auf Drehzahlregelung umgerüstet, um dadurch die Kühlleistung besser beeinflussen und bedarfsgerecht regeln zu können.

Eine wesentliche Forderung war, die verfügbare Abwärme mit wirtschaftlich vertretbaren Übertragungsflächen so weit wie möglich zu nutzen, die Tendenz zu Fouling auch bei nur geringer Durchströmung der Wärmeübertrager (bedingt durch die schwankende Wärmeabgabe) zu vermindern und den Reinigungsbedarf zu minimieren. Als weitere Problemstellung ergab sich der Platzbedarf für eine derartige Anlagenerweiterung. Vorabuntersuchungen haben deutlich gezeigt, dass die Aufgabe mit herkömmlichen Rohrbündel-Wärmeübertragern weder physikalisch noch wirtschaftlich lösbar ist und das Ziel nur mit geeigneten, platzsparenden Plattenwärmeübertragern erreichbar sein wird. Zur Erfüllung der Kriterien und zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit wurde in Zusammenarbeit mit Alfa Laval ein Versuchsapparat gebaut. Über einen Zeitraum von etwa einem Jahr galt es festzustellen, ob und wie sehr die Wärmeübertragungsleistung durch Belagbildung im Betrieb mit einer Teilmenge des atmosphärischen Rückstands (Strom 4) beeinflusst wird und welcher Wartungsaufwand sich daraus ergibt. Die Versuchsanlage wurde beidseitig für einen relativ hohen Druckverlust ausgelegt, um auch in Teillast noch eine intensiv turbulente Durchströmung der Flächen zu ­sichern. Das überzeugende ­Ergebnis war eine nur unbedeutende Reduzierung der Wärmeübertragungsleistung und die Erkenntnis, dass Reinigungsvorgänge nicht nötig werden.

Das Regelungskonzept für die Anlage greift zum Teil auf aufwendige Split-Range‑Steuerungen zurück. Die Temperaturregelung im Heißwasserkreislauf erfolgt mittels Sollwertführung entsprechend den momentanen Temperaturen der Produktströme und der Regelung der jeweiligen Durchflussmenge durch die Plattenwärmeübertrager.

Letztlich entstand ein System (siehe Abb. 1), welches mittels separatem Heißwasserkreislauf Wärme aus den gewählten Produktströmen aufnimmt und diese an anderer Stelle an den Wasserkreislauf der HBW übergibt. So werden durch die neue Abwärmenutzung im Normalfall etwa 300 m³/h Wasser der HBW von ca. 60 °C auf 120 °C erwärmt - und das ohne zusätzlichen Energieaufwand.

Wirtschaftlichkeit

Durch die Abwärmenutzung kann im OMV-eigenen Heizkraftwerk eine Menge von über 30 t/h Niederdruckdampf entweder eingespart oder bei unveränderter Dampfkessellast für die zusätzliche Stromerzeugung eingesetzt werden. Der Erlös aus der zusätzlichen Stromerzeugung von 4-5 MW, kann der Investition gegenübergestellt werden.

Geht man dagegen bei der Abwärmenutzung von einer Einsparung des sonst für die Dampferzeugung eingesetzten Brennstoffes Erdgas aus, so ergibt sich ein jährlicher Rückgang von über 8.500 t Erdgas und damit verbunden eine Emissionsminderung um fast 24.000 t CO2.
Die erzielten Erlöse durch die realisierte Wärmerückgewinnungsanlage erlauben eine Amortisationszeit, die unter jener für Energieprojekte erforderlichen Zeit liegt.

Realisierung des Projektes

Infolge der Ergebnisse im EBE wurde JBV das komplette EPCM für dieses Projekt übertragen. Die Hauptleistungen hier erstreckten sich vom Projektmanagement und -controlling über die Erarbeitung des Detail Engineering aller Gewerke mit Aufstellungsplanung auf einem räumlich sehr begrenzten Baufeld, Bestimmung der Einbindungen und der Rohrleitungs­trassierung sowie Planung von Rohrbrückenneubau & -erweiterungen. Die Aufstellungs- und Rohrleitungsplanung erfolgte dabei mit dem inzwischen bewährten Laserscanning vor Ort und der detailgenauen Bearbeitung am Standort Leipzig in einem Intergraph-System.

Weiterhin wurde der Einkauf sämtlicher Ausrüstungen inklusive des umfassenden Expeditings für die Beschaffung abgewickelt. Die Realisierung fand während dem laufenden Betrieb in kurzen, koordinierten Stillständen statt.

Die Leistungsfähigkeit des Systems wurde bei der Inbetriebnahme bestätigt und verdeutlicht das Umweltschutzpotential bei effizienter Nutzung der Wärmequellen einer Raffinerie.

Als mögliche Wärmesenken sind außer dem hier beschriebenen Beispiel eines externen Nutzers auch die Nutzung zur Gebäudeklimatisierung, als Energiequelle für den Betrieb von Kältemaschinen, zur Aufwärmung von Speisewasser, zur Vorwärmung von Verbrennungsluft, zur Beheizung von Tankanlagen und Ausrüstungen oder für Begleitheizungen denkbar.

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