Alles im grünen Bereich?
Spezialistenforum zu Gefahrgutlogistik und Sicherheit im Verladeprozess
Im März 2008 hatte eine Stichflamme aus einer Ethylen-Pipeline im Chemiepark Dormagen einen Acrylnitril-Tank in Brand gesetzt. Tage später traten wegen eines abgeplatzten Flansches in einem Duisburger Chemie-Metallwerk giftige Schwefeldioxiddämpfe aus. Steilvorlagen für die „Schlagzeilen" in den Medien. Aber ist das wirklich die Realität in der chemischen Industrie?
Mit dem ersten Expertengespräch zu diesem Thema hat die Armaturenfabrik RS Roman Seliger ein Forum geschaffen, zu dem Vertreter der BG Chemie, des VSL Verband Spedition & Logistik NRW, des VDSI Verband Dtsch. Sicherheitsingenieure, des VTH Verband Technischer Handel, der Betriebsfeuerwehren und der Logistikbranche eingeladen waren. Sie diskutierten in Düsseldorf über „Logistik - Sicherheit im Verladeprozess".
In der Chemie gelten bereits sehr hohe Sicherheitsstandards. Die Berufsgenossenschaften wachen über ihre Einhaltung. Ist also in Sachen Gefahrgutlogistik alles im grünen Bereich? Das gilt sicher für 99 % aller Prozesse. Roland Nowaczyk, Wissenschaftl. Mitarbeiter Referat CAV/Prävention der BG Chemie, Heidelberg, weiß: „Die großen Chemieunternehmen, die sich für Sicherheitsfragen eigene Stäbe leisten, haben die wenigsten Probleme. Hier gehen Sensibilität und Know-how eine gute Verbindung mit den selbst gesetzten hohen Sicherheitsstandards ein. Bei der BASF z. B. verlässt kein Gefahrguttransport das Werksgelände, ohne dass das Fahrzeug, seine Ausrüstung und seine Deklarierung kontrolliert wird."
Das Restrisiko ist immer in jenem verbleibenden Teil verborgen, in dem die Sicherungsmechanismen versagen. Was müssen Industrie und Gesetzgeber tun? Wo sind die Schwachstellen im Detail zu suchen? Die zentrale Herausforderung zur Minimierung dieses Restrisikos liegt in der Komplexität der Prozesse von der Produktion über die Intralogistik und die Übergabe an der Schnittstelle zur Transportlogistik bis hin zum Verladeprozess beim „Endverbraucher". Dass bereits vorhandene geeignete Technologien nicht längst vorgeschrieben sind, zeigt: Es gibt ein Bewusstseins- und Kommunikationsdefizit.
Sicherheit in der Verlade- und Umschlagtechnik - das bedeutet vor allem den Ausschluss von Risikofaktoren. Industrie und Berufsgenossenschaften haben gemeinsam erreicht, dass in der Industrie im Allgemeinen und der chemischen Industrie im Besonderen die Sicherheit einen hohen Stellenwert hat. Wenn es dennoch zu Unfällen kommt, ist trotz aller Schulungen und Unterweisungen allzu oft schlicht menschliches Versagen im Spiel, sprich: die leichtfertige Nichteinhaltung der Sicherheitsrichtlinien.
„Wir müssen uns zunächst im eigenen Bereich noch stärker für die Thematik sensibilisieren. Wir müssen aber auch über die Grenzen des eigenen Horizonts schauen und den Verladeprozess als Ganzes sehen. Solange wir in diesem Bereich z. B. keine Normierung haben, haben die Fahrer ganze Kisten voller Adapter, die oftmals sogar noch unbeschriftet oder uneinheitlich gekennzeichnet sind. Da sind Unfälle fast programmiert," sagt Dieter Bauer, Leiter Bereich Transport der Chemion Logistik, Leverkusen, und Teilnehmer der Expertenrunde.
Ein Problem, das sich in dem Maße verschärft, in dem gerade im Logistikbereich „die Globalisierung im Arbeitsmarkt" fortschreitet. Einheitliche Schulungsstandards lassen sich deshalb nur schwer durchhalten. In dieser Situation scheint naheliegend: Die Lösung muss in erster Linie eine technologische sein, d. h. hochwertige Sicherheitstechnik, die so narrensicher ist, dass sie Bedienfehler praktisch ausschließt oder gar korrigiert.
Es ist Aufgabe der beteiligten Verkehrskreise, nach „draußen" Lösungen aufzuzeigen. Das übergreifende RS-Expertengespräch war ein Schritt in die richtige Richtung. Es kommt darauf an, dass alle Beteiligten den Ball nun auch aufnehmen und weiterspielen.