Megatrends und Unternehmensführung
Branchenstudie untersucht Implikationen der Megatrends für das Management von Chemie- und Pharmaunternehmen
„Megatrend" scheint das neue Buzzword für die Wirtschaft zu sein. Unternehmen richten Ihre Expansions- und Investitionspläne an Megatrends aus, da sie sich auf wachstumsstarke Zukunftsfelder und -märkte beziehen. Inzwischen haben bereits einige Unternehmen ihre Geschäftsbereichsstruktur an Megatrends angelehnt und sogar Bereiche nach diesen benannt. Es gilt aber, nicht nur die Unternehmensstruktur anzupassen, sondern auch die Unternehmensstrategien gewissermaßen Megatrend-fähig zu machen, will man das Wachstumspotenzial optimal ausschöpfen.
Aber was genau sind Megatrends eigentlich? Der Begriff Megatrend wurde in Deutschland von Matthias Horx und seinem Hamburger Zukunftsinstitut für gesellschaftliche Zukunftsthemen geprägt. Eine aktuelle Google-Suche ergibt rund 45 Millionen Treffer weltweit, und etwa 714.000 Treffer allein im Deutschen.
„Ein Megatrend läutet ein neues Paradigma ein und dieses Paradigma formt alle unsere Lebensbereiche, vom Privaten über das Berufliche", sagen Ulrike Syamken und Adriana Casas, die Organisatorinnen des Kongresses „Visionäres Wirtschaften - den Megatrend nicht verpassen".
Von Ernährung bis Nachhaltigkeit - was umfasst der Begriff Megatrends in der Chemie?
Häufig bei Megatrends genannte Begriffe wie Gesundheit, Ernährung, Urbanisierung, Mobilität, Wasser- und Energieversorgung oder Nachhaltigkeit umschreiben Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft steht und die künftig überwunden werden müssen. Einige Megatrends sind lediglich neue Ausdrücke für existierende Themen, andere fassen mehrere bekannte Themengebiete zu einem neuen, übergreifenden zusammen. Wieder andere sind gänzlich neue Themen, die erst in den letzten Dekaden mit dem explosionsartigen Wachstum der Weltbevölkerung und der Globalisierung entstanden sind.
Ganz gleich ob beispielsweise das Thema Weltbevölkerungswachstum als Megatrend definiert werden kann oder schlicht als Gegebenheit hinzunehmen ist, es wirkt sich auf die Prozesse in der Wirtschaft aus. Das Bevölkerungswachstum führt zu einem zunehmenden Bedarf an Konsumgütern, insbesondere in Asien und Lateinamerika. Die Konsumgüterproduzenten, Kunden der Chemiebranche, drängen in diese „Emerging Markets" und steigern die Nachfrage nach Rohstoffen für ihre Produkte. Auch bei dieser Entwicklung nimmt die Chemie eine Schlüsselrolle ein und kann von diesem Effekt profitieren, zu diesem Schluss kommt die VCI-Prognos-Studie „Die deutsche chemische Industrie 2030".
Ohne Chemie geht (fast) nichts!
Die Chemie- und Pharmaindustrie leistet mit ihren Entwicklungen wichtige Beiträge zur Heilung von Krankheiten, zur Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung sowie zur Energieversorgung der Zukunft. Als viertgrößter Industriezweig in Deutschland ist die Chemiebranche eine Schlüsselindustrie, die auch für Megatrends wie die Digitalisierung oder den demografischen Wandel zukunftsorientierte Konzepte parat haben muss. Mehr noch: Die Chemische Industrie ist für viele andere Branchen Materialentwickler und -lieferant und schafft mit ihren Produkten und Lösungen erst die Voraussetzungen für deren Erfolge. Ob in Landwirtschaft, Bekleidungsindustrie, Bauwirtschaft, Automobilbranche, Elektronikindustrie oder Sport und Freizeit: die Chemie ist allgegenwärtig und ohne Chemie geht (fast) nichts!
Die neue Studie Von den Megatrends zum Geschäftserfolg: "Management-Implikationen der Megatrends für die chemische und pharmazeutische Industrie in Deutschland" widmet sich nun konkreten Folgen der Megatrends für das Management von Chemie- und Pharmaunternehmen.
Die Studie wird im Frühjahr 2014 durch ein Projektteam bestehend aus der Universität Münster, der Provadis Hochschule, dem Verband der Chemischen Industrie (VCI), der Strategieberatung strategy& (Formerly Booz & Company) sowie der Branchenzeitung CHEManager durchgeführt, die Ergebnisse werden im Sommer 2014 publiziert.
Vorreiter in der Anpassung an Megatrends
Weitsichtige Unternehmen der Chemieindustrie haben die Bedeutung von Megatrends früh erkannt. Eines der ersten Unternehmen, das sein Geschäftsmodell an einem Megatrend ausrichtete, ist Cognis - heute Teil der BASF. Auch Cognis setzte schon früh auf grüne Chemie: Wellness und Sustainability heißen die Megatrends, nach denen das Spezialchemieunternehmen seine Innovationsstrategie ausrichtete.
Auch Lanxess begann schon früh, seine Erfolgsgeschichte mit Premiumprodukten für globale Wachstumsmärkte zu schreiben: Megatrends als Wachstumstreiber war der Titel eines Interviews mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Axel C. Heitmann.
Wie wird die Welt von morgen aussehen? Was brauchen Menschen die in Megacities wohnen? Diese Fragen stellt sich seit geraumer Zeit auch ein Forscherteam bei Evonik, um eigene Zukunftsmärkte frühzeitig zu identifizieren.
Patrik Wohlhauser, Mitglied des Vorstands bei Evonik sagte in einem CHEManager-Interview:
„Wir sind überzeugt, dass Geschäfte, die von diesen Trends profitieren, überdurchschnittlich wachsen werden, und richten daher unsere Wachstumsstrategie an langfristigen, weltweiten Megatrends aus. Dabei konzentrieren wir uns auf die Trends Gesundheit, Ernährung, Ressourceneffizienz und Globalisierung."
Wie müssen sich Unternehmen aufstellen, um das Wachstumspotenzial, welches Megatrends bieten, auszuschöpfen? Dr. Rainer Grießhammer, Mitglied der Geschäftsführung beim Öko-Institut in Freiburg, erläuterte dies in einem CHEManager-Interview am Beispiel des Megatrends Nachhaltigkeit:
„Besonders effektiv sind Unternehmen, bei denen Megatrend- oder Nachhaltigkeits-Analysen nicht einfach von isolierten Abteilungen gemacht werden, sondern das Thema in den Unternehmensalltag, also in die Beschaffung, das Lieferantenmanagement oder die Produktentwicklung einbezogen wird."
Mit einer Übernahme baute der Technologiekonzern Linde sein Gesundheitsgeschäft 2012 deutlich aus. Der Münchner Gase-Spezialist kaufte den Sauerstoffgerätehersteller Lincare für umgerechnet 4,6 Mrd. €.
„Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist der Gesundheitsmarkt ein globaler Megatrend, an dem wir in der neuen Aufstellung noch stärker partizipieren werden", erklärte Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Reitzle, Vorstandsvorsitzender bei Linde.
Megatrends als Thema der Chemie- und Pharmaindustrie in Deutschland
Die Gründe für die starke Zukunftsorientierung der Chemie- und Pharmaindustrie sind vielfältig: Unternehmen identifizieren auf diese Weise potenzielle Wachstumsfelder und erhöhen die Akzeptanz für ihr Handeln, unter anderem auch bei Aktionären. Wachstumsorientierte Unternehmen können nicht nur reaktiv den Veränderungen von Märkten, Technologien und Rahmenbedingungen Rechnung tragen, sondern sollten die eigene Strategie auf zukünftige Chancen ausrichten und einen kontinuierlichen Transformationsprozess zielgerichtet steuern.
Wie gehen Unternehmen mit den Herausforderung der Zukunft um?
Welche Auswirkungen werden die sogenannten Megatrends, also schon heute absehbare Entwicklungen wie beispielsweise der demografische Wandel, auf die industrielle Wertschöpfung haben? Bereits die 2012 von Infraserv Höchst initiierte und in Kooperation mit dem „Rhein-Main-Cluster Chemie & Pharma" durchgeführt Studie der Provadis School of International Management and Technology zum Thema „Die Zukunft der chemischen und pharmazeutischen Industrie in Deutschland" hat die Implikationen der Megatrends für die Konfiguration der Wertschöpfungskette untersucht.
„Mit der Studie wollen wir erfahren, wie die Unternehmen die Relevanz einzelner Megatrends für ihr eigenes Unternehmen einschätzen", erläutert Prof. Dr. Hannes Utikal. „Wir wollten wissen, wie relevant die verschiedenen Megatrends im Jahr 2012, im Jahr 2020 und im Jahr 2030 eingestuft werden und durch welche unternehmerischen Aktivitäten sich die Unternehmen auf diese Trends einrichten."
Zukunftsausblick der Chemie- und Pharmaindustrie ins Jahr 2030
Fasst man die Ergebnisse bisheriger Megatrendstudien zusammen, so steht die Chemie- und Pharmaindustrie mit Blick auf das Jahr 2030 vor weitreichenden Veränderungen. Die Entwicklung neuer Technologien, die Veränderung von Arbeitswelten und Prozessen, die immer enger werdende Vernetzung von Produktions- und Wertschöpfungsketten, aber auch die Frage der Verfügbarkeit von Rohstoffen und der Umgang mit natürlichen Ressourcen werden die Zukunft von Industriebranchen verändern.
Bedeutung für die zukünftige Unternehmensführung - welche Änderungen sind seitens der Unternehmen erforderlich, um die Chancen der Megatrends zu nutzen?
Diese Fragestellungen werden in der Untersuchung beleuchtet. Hierzu werden verschiedene Untersuchungsmethoden genutzt. Neben einer umfangreichen Online-Umfrage unter Fach- und Führungskräften der Chemie- und Pharmabranche wird der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Literatur zu diesem Thema ausführlich analysiert und ausgewertet. Persönliche Experten-Interviews mit Entscheidungsträgern der Branche ergänzen und reflektieren die Ergebnisse der Online-Umfrage, so dass ein fundiertes Gesamtbild entstehen wird.