Anlagenbau & Prozesstechnik

VDI-Fachausschuss Reinraumtechnik

19.07.2012 -

ReinRaumTechnik - „Wer nicht normt, wird genormt." Dieses Motto eines Vorsitzenden der ehemaligen VDI-Gesellschaft Technische Gebäudeausrüstung (heute: VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik, darin Fachbereich Technische Gebäudeausrüstung) prägt schon seit den 1970er Jahren die Arbeit des Fachausschusses Reinraumtechnik.

Bevor die erste VDI 2083 Blatt 1 erscheinen konnte, wurden Diskussionen geführt, ob sich das Thema überhaupt für Regelsetzungsarbeit eigne. Das Vorhaben gelang, nicht zuletzt dank der Beharrlichkeit von engagierten Fachleuten wie Dr. Hans Schicht und Dr. Lothar Gail. Nächster Schritt war die Internationalisierung: Als erst die europäischen Normen der Reihe EN 1631 und EN 1632 und etwas später die ISO 14644 erschien, war in diesen Normen deutlich der Fußabdruck der VDI 2083 zu sehen. Es ist kaum zu bestreiten, dass dies der Branche im Ausland nicht nur Ansehen, sondern auch Vorsprung gegenüber der Konkurrenz verschaffte.
Unterdessen haben die Fachleute im Fachausschuss Reinraumtechnik sich auf diesen Lorbeeren nicht ausgeruht: Die VDI 2083 wurde stetig weiterentwickelt und umfasst mittlerweile 20 Richtlinien.
Jede einzelne dieser Richtlinien stellt das Ergebnis eines Prozesses der Konsensfindung zunächst im Richtlinienausschuss, danach - über das Einspruchsverfahren - zwischen Richtlinienausschuss und Fachöffentlichkeit dar. Aus diesem Grund gelten die endgültigen Fassungen der VDI-Richtlinien als anerkannte Regeln der Technik, die maßgeblich das geschuldete Niveau von Leistungen definieren.
Dieses Richtlinienwerk ständig auf Ballhöhe zu halten ist Aufgabe des Fachausschusses Reinraumtechnik. Alle bestehenden Richtlinien werden spätestens fünf Jahre nach ihrem Erscheinen auf Aktualität geprüft.

Nach wie vor aktuell
In diesem Jahr wurden die beiden Richtlinien VDI 2083 Blatt 4.1 „Planung, Bau und Erst-Inbetriebnahme" und VDI 2083 Blatt 5.1 „Betrieb" überprüft und bestätigt.

Überarbeitungen
Richtlinien, deren Inhalte als nicht mehr aktuell gesehen werden, sind zu überarbeiten. Aktuell sind das die Richtlinien

  • VDI 2083 Blatt 7 „Reinstmedien",
  • VDI 2083 Blatt 9.1 „Oberflächenreinheit und Reinheitstauglichkeit",
  • VDI 2083 Blatt 10 „Reinstmedienversorgungssysteme"
  • VDI 2083 Blatt 12 „Sicherheit und Umweltschutz" und
  • VDI 2083 Blatt 15 „Personal und Schulung"

Die Überarbeitung läuft im Fall der VDI 2083 Blatt 7 und Blatt 10 bereits. Diese beiden Richtlinien sollen im Rahmen der Aktualisierung zusammengeführt werden. Die Gründung der Ausschüsse zur Überarbeitung der Richtlinien VDI 2083 Blatt 9.1, Blatt 12 und Blatt 15 steht aus.
Zu neuen Ufern
Die Zeit steht nicht still: Nachdem Anfang der 1970er Jahre allen Bedenken zum Trotz die partikuläre Luftreinheit doch klassifiziert wurde, wurde Anfang des 21. Jahrhunderts mit zunächst ähnlicher Skepsis die chemische Kontamination (im Fachslang auch AMC genannt) aufs Korn genommen. VDI 2083 Blatt 8.1 erschien 2009 als Weißdruck. Anders als die Internationale Norm ISO 14644-8, die letztendlich eine Klassifizierung von AMC erlaubte, aber nichts zur Messung und Minderung sagte, lag der Fokus bei VDI 2083 Blatt 8.1 auf der Praxis, d. h. auf Messung, Interpretation von Messergebnissen und Minderung von AMC.
Vorläufig letztes „unmögliches" Thema ist Biokontamination. Der Entwurf VDI 2083 Blatt 18 liegt seit Anfang 2011 vor und wird in diesem Jahr als Weißdruck erscheinen.
Und auch danach wird es weitergehen.

Aktuelle Entwicklungen, neue Themen
Verbrauchsmaterialien
Bei kaum einem Thema herrschen so viele fälschliche Ansichten vor wie bei diesem. Da wird im Vertrieb bei einem Tuch „fusselfrei" mit „reinraumtauglich" gleichgesetzt oder es werden Produktarten und die Eignung für bestimmte ISO-Luftreinheitsklassen korreliert. Man kann das alles ungestraft tun, da es keine Festlegungen gibt.
Inzwischen - nach langen, kontroversen Diskussionen im Ausschuss und umfangreichen Untersuchungen und Hausaufgaben zwischen den Sitzungen - ist der Ausschuss zu der Ansicht gekommen, dass es nicht möglich sein wird, eine einfache Klassifizierung von Produkten zu finden.
Der Ausschuss hofft, Ende 2012 oder Anfang 2013 den Entwurf einer Richtlinie VDI 2083 Blatt 9.2 vorlegen zu können, die dem Nutzer trotzdem bei der Auswahl helfen soll.
Minienvironments
Nachdem VDI 2083 Blatt 16.1 zu abgetrennten reinen Umgebungen, sprich: Isolatoren usw., erschien, soll mit Blatt 16.2 das Thema der Minienvironments vertieft werden. Die Arbeit in diesem Ausschuss schreitet voran.
Reinheitstauglichkeit von Materialien
Der Entwurf VDI 2083 Blatt 17 wurde Anfang 2011 herausgegeben. Nach Abarbeiten der Einsprüche ist die endgültige Fassung in Vorbereitung.
10 Ångström
Der Trend geht zu „10 Ångström", oder, modern ausgedrückt, zu den Nano-Partikeln. Der Fachausschuss Reinraumtechnik hat eine kleine Gruppe von Fachleuten beauftragt, sich diesem Thema zu widmen. Eine Erweiterung der Luftreinheitsklassen zu kleineren Partikelgrößen hin erscheint angesichts der zunehmenden Anwendung der Nanotechnik sinnvoll.
Monitoring und Fortlaufende Übereinstimmung
VDI 2083 Blatt 3 „Messtechnik" hat gegenüber der ISO 14644-3 schon den Vorzug, dem Anwender Hinweise zu geben, welche Messung für welchen Zweck sinnvoll ist. Die aktuelle Ergänzung VDI 2083 Blatt 3.1 „Monitoring" befasst sich spezifisch mit den Anforderungen an das Monitoring und eine geplante VDI 2083 Blatt 2 „Fortlaufende Übereinstimmung" soll Hilfestellung dabei geben, geeignete Parameter und Messintervalle zum Nachweis der fortlaufenden Übereinstimmung zu identifizieren.

Themen an der „Peripherie" der Reinraumtechnik
Luftfiltersyssteme
Die Richtlinie VDI 3803 Blatt 4, eine der VDI-Lüftungsregeln, befasst sich mit der Filteranwendung für RLT-Anlagen, z. B. im Wohn- und Bürobereich, im Gesundheitswesen, im Pharma-, Labor- und Lebensmittelbereich sowie für öffentliche Bauten, Dienstleistungs- und Gewerbebetriebe, Schulen, Sportanlagen. Sie befasst sich mit der praktischen Anwendung der technischen Regeln EN 779, EN 1822 sowie VDI 2083 Blatt 3 und gilt für alle RLT-Anlagen für Aufenthaltsbereiche, in denen sich bestimmungsgemäß Personen mehr als 30 Tage pro Jahr oder regelmäßig länger als zwei Stunden je Tag aufhalten. Sie basiert auf der hervorragenden Schweizerischen „Filterrichtlinie" SWKI VA101-01:2007-11.
Betrieb und Instandhaltung
RLT-Anlagen müssen bestimmungsgemäß betrieben und instandgehalten werden. Dies ist Gegenstand der aktuell als Entwurf vorliegenden Richtlinie VDI 3810 Blatt 4. Die Richtlinie entstand im Fachbereich Facility-Management der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik; folglich wird das Thema durch die Brille des Betreibers betrachtet. Es werden Fragen der Betreiberverantwortung angesprochen und Grundlagen für eigene Checklisten bereitgestellt.
Technical Good Manufacturing Practice (tGMP)
Böse Zungen sagen mitunter, GMP und Technik seien zwei Welten, die aufeinander treffen. Die Brücke zwischen diesen beiden Welten zu schlagen und dem Anwender, der ein GMP-Projekt plant, schon frühzeitig Hilfestellung zu geben, ist Ziel des Richtlinienprojekts VDI 6305.

Was treibt Fachleute zur technischen Regelsetzung?
Die Regelsetzungsarbeit ist eine ehrenamtliche. Sie steht damit in Konkurrenz zum Broterwerb. Was motiviert also Menschen, ihr Fachwissen in die technische Regelsetzung einzubringen, obwohl sie kein Geld dafür bekommen?
Wer seinen Lebensunterhalt mit seinen Fachkenntnissen erwirbt, ist nach geltendem Recht (u. a. §242 BGB „Leistung nach Treu und Glauben") dazu verpflichtet, diese Fachkenntnisse aktuell zu halten. Das bedeutet, sich hinsichtlich der anerkannten Regeln der Technik, des Stands der Technik und des Stands von Wissenschaft und Technik laufend fortzubilden, um in der Lage zu sein, eine „Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern". Besser als im ständigen lebhaften Dialog mit anderen Fachleuten und als dadurch, dass man selber mit daran arbeitet, die Niveaus zu definieren, geht das gar nicht. Und hier schließt sich der Kreis zu dem anfangs zitierten Ausspruch: Wer in der technischen Regelsetzung aktiv gestaltend mitarbeitet, der normt und kennt die Spielregeln. Wer sie nur fallweise als Nachschlagewerk nutzt, mag sie auch kennen, aber er wird halt genormt.
In diesem Sinne sind Sie als Leser natürlich eingeladen, darüber nachzudenken, ob Sie nicht auch aktiv gestaltend tätig werden können und wollen. Sind bei den oben beschriebenen Projekten welche, bei denen Sie Ihr Fachwissen einbringen können, kontaktieren Sie die VDI-Geschäftsstelle. Und fehlt Ihnen im vorhandenen Regelwerk eine Richtlinie, warum nicht mit uns darüber reden und prüfen, ob wir nicht Fachleute finden, die bereit sind, diese mit Ihnen zusammen zu erarbeiten?