Als Chemiker in China
Was müssen westliche Chemiker in chinesischen Chemieunternehmen beachten?
Nach Prognosen der OECD wird Chinas Wirtschaft, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, bereits 2012 die der Eurozone übertreffen, im Jahr 2016 dann auch die der USA. Da die chemische Industrie die Ausgangsmaterialien für den Konsum der wachsenden Mittelschicht und insbesondere für die stark steigende Automobilisierungsrate liefert, wird diese Branche parallel zu der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung wachsen. Zwar sind die Wachstumsraten in letzter Zeit etwas gefallen - im 3. Quartal 2012 lag die Wachstumsrate bei 7,4 % -, aber aufgrund der inzwischen recht großen Basis und im Vergleich zu den geringen Zuwächsen in westlichen Industrienationen wird die Bedeutung Chinas für die globale Chemieindustrie weiter wachsen.
In den vergangenen zehn Jahren ist es daher zunehmend zu einem normalen Karriereschritt für westliche Chemiemanager geworden, in der Niederlassung eines globalen Chemieunternehmens in China zu arbeiten. Dies erfordert bereits ein gewisses Maß an Anpassungsfähigkeit an die lokalen Gegebenheiten, obwohl die Arbeit noch sehr stark in dem quasi-westlichen Kontext eines internationalen Chemieunternehmens geleistet wird und die Auslandsentsendung im Rahmen des laufenden Vertrages geleistet wird.
Eine sehr viel höhere Anpassungsfähigkeit wird gefordert, wenn ein westlicher Chemiker in China für ein chinesisches Chemieunternehmen arbeitet. Zudem bedeutet ein solcher Schritt in der Regel einen Bruch im sozialen Netzwerk und, wenn nicht entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, auch in der Alters-, Kranken- und anderen Versicherungen.
Die Motivation
Auf chinesischer Seite steht der Wunsch im Vordergrund, technische und methodologische Expertise zu gewinnen, was auch von der Zentralregierung gefördert wird. Dazu kommt der Prestige- und Imagegewinn, der durch die Einstellung nichtchinesischer Mitarbeiter erwartet wird - um Seriosität und Kompetenzanmutung eines Unternehmens in China zu erhöhen, werden z. B. bei Besuchen von Investoren in kleinen chinesischen Unternehmen gelegentlich westliche Gesichter als Mitarbeiter-Statisten angeheuert.
Auf der Seite der westlichen Chemiker ist die Hauptmotivation die Arbeits- und Lebenserfahrung in China selbst, während die Entlohnung zwar als adäquat, aber nicht extrem hoch beschrieben wird. In vielen Fällen kommen die Arbeitsverträge aufgrund persönlicher Kontakte zustande, in anderen Fällen erfolgte eine Vermittlung durch Personalberater. Aus unseren Gesprächen mit betroffenen Chemikern entnahmen wir, dass alle sich für ihren Aufenthalt in China vorbereitet hatten, allerdings beschränkte sich die Vorbereitung meist auf das Studium schriftlicher Quellen.
Der Vertrag
Die Binsenweisheit, man solle seinen Vertrag in Detail verstehen und diskutieren, bevor man unterschreibt, gilt in China in besonderem Maße. Zwar wird häufig behauptet, für Chinesen sei ein Vertrag der Basis für eine weitere Zusammenarbeit und Diskussion. Aber ein Vertrag wird sehr wohl genau genommen, wenn die dort genannten Regeln im Interesse des Unternehmens liegen. Einige Punkte, die bei Vertragsabschluss genauer beachtet werden sollten, sind:
Die Kündigungsfrist: Wenn in China entschieden worden ist, sich z. B. von einem westlichen Mitarbeiter zu trennen, kann die Umsetzung sehr schnell erfolgen. Von dem westlichen Manager wird erwartet, selbst die Rückkehr in das alte Leben zu organisieren, und zwar gegebenenfalls innerhalb einer sehr kurzen Frist. Dies sollte zum einen bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden, zum anderen sollte aber auch in der persönlichen Lebensplanung dieser Tatsache Rechnung getragen werden, am besten durch einen eigenen Rückfallplan.
Darüber hinaus sollte ein Bonus in Bezug auf den Zeitpunkt und die Kriterien der Zahlung sehr genau definiert werden. Dabei ist zu bedenken, dass in China viel mehr Wert auf Teamleistung gelegt wird - im Umkehrschluss ist die Einflussnahme des einzelnen Beschäftigten auf den Erfolg und die damit gekoppelte Bonuszahlung möglicherweise geringer. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass Strafzahlungen auferlegt werden, z. B. für Unfälle, oder aber auch für einfache Vergehen. Der Teamgedanke und die traditionellen Strukturen sehen dann vor, dass alle als verantwortlich gesehen werden und proportional zu ihrem Gehalt bestraft werden (ähnlich den Bestrafungen in der Zeit der chinesischen Dynastien, die sich stets auch auf die Verwandten des Schuldigen auswirkten). Es kann sehr teuer werden, wenn dabei das Gehalt des westlichen Managers als Basiswert herangezogen wird; die Behandlung solcher Fälle sollten daher auch im Arbeitsvertrag festgelegt werden.
Gehaltsnebenkosten, wie Altersversorgung, Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung, sind in westlichen Ländern zumeist gesetzlich geregelt oder zumindest selbstverständlich. Dies ist in China nicht der Fall. Mit der Beschäftigung in China tritt der Betroffene in der Regel aus allen staatlichen Systemen aus, auch private Verträge müssen detailliert in Bezug auf die geänderte Lebenssituation überprüft werden. Selbstverständlich sollte im Detail geklärt werden, welche finanziellen Einbußen durch diese Änderungen entstehen bzw. welche Kosten entstehen, um die bestehende Absicherung aufrechterhalten zu können.
Kultur- und Erfolgsfaktoren
Hinzu kommt natürlich, dass viele Umstände des alltäglichen Lebens in China auch für den westlichen Angestellten ungewohnt sind. Ein relevanter Aspekt ist z. B. der eingeschränkte Zugang zu Information über Internet, Fernsehen oder Zeitungen. Gewöhnungsbedürftig ist auch der starke Stolz auf die chinesische Kultur. Etwas Verständnis für diese Einstellung ist hilfreich, um den Alltag zu meistern. Ein Beispiel: Nach Konfuzius ist das Kopieren als Kompliment für den Kopierten zu betrachten. Dies mag für Patent- oder Markenrechtsinhaber ärgerlich sein, beeinflusst aber auch das tägliche Leben und fordert Toleranz - nicht zuletzt weil es konträr ist zum westlichen Anspruch auf Belohnung für eigene Leistung. Die vom westlichen Angestellten in das chinesische Unternehmen eingebrachten Ideen werden also nicht unbedingt allein ihm zugeschrieben. Ein anderes Beispiel: Ein Autounfall, der in Europa eine Lapalie wäre, mutiert in China zu einem Großereignis. Der Fahrer wird von der Firma als schuldig gesehen, da er die Sicherheit des westlichen Angestellten gefährdet hat, und die Versicherungsregelungen sind kompliziert und zeitaufwendig.
Überhaupt ist insbesondere an provinzielleren Arbeitsorten der nichtchinesischsprachige Mitarbeiter stark von infrakstruktureller Unterstützung abhängig, nicht nur von einem Übersetzer, sondern auch von einem Fahrer, einem Assistenten und insbesondere vom oberen chinesischen Management. Speziell der Assistent kann entscheidend für den Erfolg des Chinaaufenthalts werden. Nach Möglichkeit sollte darauf bestanden werden, dass dieser Assistent vom westlichen Mitarbeiter ausgesucht werden kann - allerdings werden solche Zusagen nicht immer eingehalten.
Insgesamt ist das Fazit in Bezug auf eine Beschäftigung in einem chinesischen Chemieunternehmen derzeit eher zurückhaltend. In der Vergangenheit haben sich die meisten dieser Beschäftigungen als eher kurzfristig herausgestellt. Auf westlicher Seite kommt zu den oben geschilderten Punkten der häufig als eher unbefriedigend empfundene Spielraum, Veränderungen zu erwirken, hinzu. Auf chinesischer Seite ist es nach ersten Erfahrungen mit westlichen Angestellten bereits zu einer gewissen Ernüchterung gekommen, wenn klar wird, dass das Anheuern einzelner derartiger Mitarbeiter zwar eine Möglichkeit ist, technisches Wissen zu vergrößern, nicht aber, um die systemischen Schwächen der Arbeitsweise in einem chinesischen Chemieunternehmen zu beseitigen.
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