Flexible und sichere Prozesse für die Pharmaindustrie
Teil 1: Die Herausforderungen von heute und morgen
Neue Gesetzgebungen, auslaufende Patente und steigende Gesundheitsausgaben erfordern gravierende Veränderungen in der globalen pharmazeutischen Industrie. Die Märkte für Spezialmedikamente, Biopharmazeutika und Biosimilars bieten zusätzliche Wachstumschancen. In den kommenden Jahren werden weltweit neue Verfahren und Herstellungskonzepte implementiert, die alle eines gemein haben: die Anforderung nach sicheren, hochwertigen und zuverlässigen Prozessen.
Laut eines im November 2013 veröffentlichten Berichts des IMS Institute of Healthcare Informatics werden die jährlichen Ausgaben für Medikamente im Jahr 2014 die Eine-Billion-Dollar-Marke überschreiten und sich bis 2017 auf 1,2 Billionen US-Dollar erhöhen. Nach einer turbulenten Phase aufgrund abgelaufener Patente und Sparmaßnahmen in Folge der Wirtschaftskrise erholen sich die entwickelten Märkte nun allmählich. In den Vereinigten Staaten sind höhere Ausgaben im Zuge des „Affordable Care Act" vorgesehen. In Japan drängte die Gefahr des rasant steigenden Medikamentenbedarfs der alternden Bevölkerung die Regierung zu einer noch nie dagewesenen Entscheidung: Bis 2018 werden im Land der aufgehenden Sonne 60 Prozent aller patentfreien verschreibungspflichtigen Medikamente in Form von Generika ausgegeben. Insgesamt werden günstigere generische Alternativen weiterhin die größten Auswirkungen auf das Wachstum haben. Produzenten von Generika und Lohnhersteller benötigen daher besonders robuste und flexible Maschinen mit hoher Ausbringung. Komplexe Medikamente für zielgerichtete Behandlungen hingegen erfordern flexible Anlagen und kleinere Chargen.
Aufgrund steigender Bevölkerungszahlen und höherer Einkommen werden die so genannten „pharmerging" Märkte weiter jährlich um zehn bis 13 Prozent wachsen und die Medikamentennutzung drastisch steigen. Wirtschaftlicher Aufschwung, signifikante demografische und epidemiologische Veränderungen und eine große Bandbreite an gesundheitspolitischen Maßnahmen fördern zudem einen leichteren Zugang zu Arzneimitteln. In China allerdings - bisher der bedeutendste Wachstumsmotor in Asien und über den Kontinent hinaus - steht eine Phase moderaten Rückgangs im Vergleich zu den vergangenen Jahren bevor. Die Auswirkungen werden nicht nur für lokale Hersteller, sondern auch für pharmazeutische Unternehmen der entwickelten Länder spürbar sein, die ein großes Produktions- und Vertriebsnetzwerk in China aufgebaut haben und bis heute mit hohen Gewinnen belohnt wurden. Das indische Gesundheitswesen hingegen scheint unaufhörlich zu wachsen. Pharmazeutische Exporte aus Indien werden laut Expertenschätzungen in den kommenden vier Jahren um mehr als das Zweifache steigen, sofern es dem Land gelingt, sämtliche behördlichen Herausforderungen zu erfüllen.
Flexible und sichere Prozesse
In den Wachstumsmärkten sind robuste und leistungsstarke Anlagen nach wie vor die erste Wahl für Hersteller. Vor allem Produzenten von Generika streben eine höchstmögliche Produktivität bei geringen Kosten an. Viele Medikamentenhersteller haben ihren Fokus auf die Entwicklung neuer Formulierungen verlagert und ihre Füll- und Verschließprozesse sowie die Sekundärverpackung an Lohnhersteller ausgegliedert. Deren Hauptanliegen sind sowohl Flexibilität als auch Produktivität. Dafür müssen sie ihre Anlagen zur Primär- und Sekundärverpackung an unterschiedliche Produkte, Verpackungsformate und -geschwindigkeiten bei gleichbleibend hoher Ausbringung anpassen können.
Der Hauptanteil des produzierenden Pharmamarktes in den Schwellenländern entfällt weiterhin auf die Herstellung von Blockbuster-Medikamenten und Generika in großem Maßstab. Allerdings beobachten Länder wie Indien ebenfalls eine Verschiebung hin zu komplexeren Formulierungen, die einen steigenden Bedarf an fortschrittlichen Technologien bedingt. Der Trend zur Produktion kleinerer Mengen zielgerichteter Medikamente - vor allem für die Behandlung von Krebs - erfordert flexible Plattformen, die kleine Chargen verarbeiten und gleichzeitig größtmögliche Sicherheit für Hersteller und Produkt gewährleisten können. Denn die Herstellung und Verpackung von Biopharmazeutika, Impfstoffen und antiviralen Substanzen setzt höchste Vorsicht und präzise Prozesse voraus.
Die drohende Biopharma-Patentklippe
Nachdem die pharmazeutische Industrie den größten Teil der Generika-Patentklippe überwunden hat, steht sie nun neuen Herausforderungen gegenüber: Die Patente einiger großer biotechnischer Moleküle werden bald ablaufen und damit die Produktion von Biosimilars beginnen. Im Jahr 2002 entfielen elf Prozent aller Medikamentenverkäufe auf biologische Präparate. IMS schätzt, dass diese Produkte bis ins Jahr 2017 fast 20 Prozent des gesamten Marktes ausmachen werden. Monoklonale Antikörper und Humaninsulin werden diesen Wachstumsprozess weiter vorantreiben. Biosimilars liegen derzeit bei weniger als 0,5 Prozent aller biologischen Aufwendungen in den entwickelten Märkten. In Wachstumsmärkten machen nicht-originale biologische Präparate mehr als zehn Prozent dieser Ausgaben aus, Tendenz steigend.
Biopharmazeutika und deren Nachfolger erfordern neben intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit hochwertiges Equipment und kontaminationsfreie Rohmaterialien, wie beispielsweise Rein- und Reinstwasser sowie Wasser für Injektionszwecke, die durch modernste Erzeugeranlagen gewonnen werden. Um Patienten mit der bestmöglichen Qualität zu versorgen, setzen Medikamentenhersteller auf sichere Herstellungsprozesse und Verpackungslösungen, während Patienten auf ihre bevorzugten Verabreichungssysteme vertrauen. Die pharmazeutische Industrie hat sich erfolgreich auf die Entwicklung noch sichererer und einfacherer Systeme konzentriert. Obwohl orale Dosierungsformen komfortabler sind, haben parenterale Verabreichungssysteme - also unter Umgehung des Darmtraktes - den Platz als effektivste und sicherste Behandlungsmethode eingenommen. Für viele biologische Produkte gibt es zur parenteralen Gabe keine Alternative. Die Entwicklung neuer Drug Delivery Devices richtet sich dabei zunehmend nach den individuellen Bedürfnissen der Patienten. So wurden Insulin-Pens etwa hinsichtlich ihrer Benutzerfreundlichkeit optimiert; im Allgemeinen werden die Devices immer kleiner und sicherer zu handhaben.
Das Produkt vom Bediener isolieren
Der Einsatz hochwirksamer Pharmazeutika hat stark zugenommen und erfordert ein Höchstmaß an Sicherheitsvorkehrungen während der gesamten Verarbeitungskette. Medikamente und Mitarbeiter vor gegenseitigem Kontakt zu schützen, hat dabei höchste Priorität. Neueste Anlagenlösungen verwenden Roboter- und Automatisierungstechnologie, um menschlichen Kontakt mit den Substanzen in der Herstellung zu reduzieren. Aufgrund der immer strengeren Richtlinien der Aufsichtsbehörden greifen Hersteller vermehrt auf Isolatoren zurück. Verglichen mit der konventionellen Reinraumproduktion ermöglichen diese eine höhere Produktqualität, geringere Betriebskosten und bedeutende Energieeinsparungen sowie die sichere Durchführung längerer Produktionszyklen.
Laut den im Jahr 2004 von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) herausgegebenen Aseptik-Richtlinien bieten Isolatoren im Vergleich zu traditionellen aseptischen Prozessen konkrete Vorteile, wie beispielsweise die geringere Wahrscheinlichkeit mikrobieller Kontamination während des Verarbeitungsprozesses. Auch in den kommenden Jahren werden Hersteller weltweit vermehrt auf Isolatoren für Abfüllanlagen zurückgreifen. Dabei bleiben Vials, also Injektionsfläschchen, die am häufigsten in Isolatoren verarbeiteten Behältnisse, während besonders in Europa die Nutzung vorgefüllter Spritzen schnell zunimmt. Die Entwicklung neuer füllfertiger steriler Primärpackmittel in Kooperation mit führenden Anlagenbauern hat zur Verbesserung aseptischer Füllprozesse geführt und den Weg für die Entwicklung neuer Füll- und Verschließmaschinen geebnet. Diese sind für die flexible Verarbeitung von vorsterilisierten Spritzen, Vials und Karpulen im Nest geeignet.
Teil 2 des Artikels: "Quality by Design und Process Analytical Technology" lesen Sie hier.