Symrise: Wachstumsrezept umfasst viele Zutaten
Duftstoff- und Aromahersteller wächst mit regionalen Kunden, funktionalen Hilfsstoffen und Investitionen in Emerging Markets
Gute Kunden, neue Produkte, schnell wachsende Märkte und innovative Geschäftsmodelle – das Wachstumsrezept des Symrise-Konzerns umfasst viele Zutaten. Seit dem Börsengang im Jahr 2006 hat das Unternehmen seinen Umsatz auf über 2,6 Mrd. EUR mehr als verdoppelt. Dabei stieg das Ergebnis im Schnitt um 10% pro Jahr. Mit einem Marktanteil von 12% gehört Symrise heute zu den Top 3 Lieferanten am Weltmarkt für Duftstoffe und Aromen und beschäftigt rund 9.000 Mitarbeiter weltweit. Dr. Andrea Gruß befragte Vorstandsvorsitzenden Dr. Heinz-Jürgen Bertram zur Wachstumsstrategie des Holzmindener Unternehmens, das 2003 durch die Fusion der Traditionsunternehmen Haarmann & Reimer und Dragoco entstand.
CHEManager: Herr Dr. Bertram, als Sie Ende 2009 den Vorstandsvorsitz übernahmen, kündigten Sie eine „Evolution, keine Revolution“ an. Wie hat sich Symrise seitdem entwickelt?
Dr. H.-J. Bertram: Wir hatten Symrise im Jahr 2006 erfolgreich an die Börse gebracht und waren 2009 die Nummer vier am Markt für Duftstoffe und Aromen. Was uns noch fehlte, war ein deutliches Wachstum. Dies mussten wir durch eine Neuaufstellung unseres Geschäfts generieren. Wir haben uns in den folgenden Jahren vorsichtig und behutsam weiterentwickelt, unter anderem indem wir großen Wert auf das richtige Management unseres Kundenportfolios legten. Unser Fokus liegt dabei weniger auf der Größe eines Kunden, sondern auf guten Kunden – das heißt Unternehmen, die erfolgreich am Markt agieren und die die Beziehung zu uns schätzen und nicht als Einbahnstraße sehen. Heute erzielen wir etwa ein Drittel unseres Geschäftes mit globalen Kunden, ein Drittel mit lokalen Kunden und ein Drittel mit regionalen Kunden und fühlen uns sehr wohl damit.
Welche Rolle spielt der asiatische Markt für die Wachstumsstrategie von Symrise?
Dr. H.-J. Bertram: Emerging Markets, wie die ASEAN- oder BRICS-Staaten, sind wichtige Wachstumsmärkte für Symrise. Wir erzielten im Jahr 2015 bereits 22% unserer Umsätze in der Region Asien-Pazifik. Zwar ändern sich die Randbedingungen in diesen Märkten sehr viel schneller als in den stabilen, reiferen Märkten, doch lässt man sich darauf ein, dann bieten die Märkte aufgrund ihres Bevölkerungswachstums nach wie vor ein sehr hohes Potenzial.
Asien ist zwar immer noch ein Emerging Market, aber schon lange kein unreifer Markt mehr, der mit Billigprodukten erobert werden kann. Auch kenne ich kaum ein Produkt aus Europa, das unverändert in den asiatischen Markt passen würde. Um dort erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen technisch anspruchsvolle Produkte anbieten, diese vor Ort mit lokaler Expertise entwickeln und willens sein, in Asien langfristig zu investieren.
Wir investieren daher gerade 30 Mio. EUR in den Neubau eines Entwicklungszentrums in Singapur, einem Standort, an dem wir schon seit Ende der 1970er Jahre aktiv sind. Das Zentrum soll Anfang 2017 in Betrieb gehen. Es wird im Übrigen weltweit das höchste Gebäude von Symrise sein, sozusagen ein in Stein gegossenes Commitment für den Standort.
Den vergleichsweise hochpreisigen Standort Singapur haben wir aufgrund der klaren rechtlichen Rahmenbedingungen und dem dort vorherrschenden Respekt vor Intellectual Property gewählt. Letzteres ist für Symrise, das zuletzt etwa 6,5% seines Umsatzes in Forschung und Entwicklung investierte, von hoher Bedeutung.
Wie hat sich das Geschäft von Symrise in den vergangenen zehn Jahren verändert?
Dr. H.-J. Bertram: Wir haben seitdem kräftig am Portfolio geschraubt. Zur Zeit des Börsengangs waren wir ein traditioneller Duft- und Aromenhersteller. Doch schon damals war klar, nur guten Geschmack und guten Geruch zu verkaufen, ist auf Dauer zu kurz gesprungen, um in Märkten wie Europa als Konzern unserer Größe erfolgreich zu sein. Wir haben daher unsere beiden Geschäftsfelder gezielt ausgebaut. Zunächst wurde das Geschäftsfeld Duftstoffe um kosmetische Wirkstoffe zu Scent & Care erweitert. Mit diesen Produkten adressieren wir die gleichen Kunden und die Dynamik am Markt ist vergleichbar. Durch den frühen Markteinstieg nehmen wir heute eine weltweit führende Position bei kosmetischen Wirkstoffen ein. So sind wir zum Beispiel die Nummer zwei im Weltmarkt für Sonnenschutzfilter.
Als wir sahen, die Idee funktioniert, wurden wir mutiger und haben das gleiche Prinzip im Geschäftsbereich Aromen angewandt und diesen zu Flavor & Nutrition erweitert. Wir wollten nicht mehr nur Aromen für Lebensmittel anbieten, die gut schmecken, sondern auch funktionale Inhaltsstoffe, die zum Beispiel gesundheitsfördernd wirken und die Verdauung fördern.
Im Jahr 2014 haben wir durch die transformatorische Akquisition des französischen Unternehmens Diana unser Portfolio um funktionale Wirkstoffe und insbesondere um Produkte für die Heimtierernährung erweitert. Dabei haben wir gezeigt, dass wir auch einen Milliardendeal stemmen können. Vor der Übernahme erzielte das Geschäft von Diana 425 Mio. EUR Umsatz bei einer EBITDA-Marge von 19%, nur ein Jahr später waren es 550 Mio. EUR und die Marge lag bei 22%.
Was macht das Geschäft für Heimtierernährung für Symrise interessant?
Dr. H.-J. Bertram: Ausgehend von 618 Mio. Katzen und Hunden im Jahr 2014 wächst die Zahl der Haustiere weltweit jährlich um etwa 2%. Am stärksten ist das Wachstum in den Schwellenländern. Durch gesellschaftliche Veränderungen, wie zum Beispiel eine alternde Bevölkerung, die Auflösung traditioneller Familienstrukturen und gestiegene Einkommen, vertieft sich zudem die Bindung zwischen Haustieren und ihren Besitzern. Diese sind immer mehr darauf bedacht, ihren Haustieren eine angemessene und gesundheitsfördernde Ernährung anzubieten. Das erklärt, warum der weltweite Markt für Katzenfutter jährlich um 6% wächst.
Diana ist Weltmarktführer bei Aromen für Hund und Katze. Und viele analytische Entwicklungsinstrumente wie Sensorik- oder Statistik-Tools, die wir bei Symrise für die Entwicklung von Aromen für menschliche Konsumenten nutzen, funktionieren auch für Hunde und Katzen. Übrigens unterscheiden sich auch die Geschmacksvorlieben von Tieren regional, genau wie beim Menschen. Die Aromen, die einer Katze im Fleisch schmecken sind jedoch andere als beim Menschen. Deshalb erforschen wir gerade in einer Kooperation mit dem Biotech-Unternehmen BRAIN die Geschmackssensorik von Katzen.
Das Portfolio von Symrise umfasst 30.000 Produkte, die aus etwa 10.000 Rohstoffen hergestellt werden. Wie sichern Sie deren nachhaltige Herstellung und Beschaffung?
Dr. H.-J. Bertram: Effizienz ist neben Wachstum und Portfolio die dritte Säule unserer Unternehmensstrategie. Zum einen prüfen wir tagtäglich unsere Produktionsprozesse und optimieren sie nach den Leitlinien von Green Chemistry. Zum anderen identifizieren wir im Rahmen unserer Initiative Symchronize Ansatzpunkte und Potenziale in der Lieferkette, um Energie-, Wasser- und Ressourcenverbrauch sowie Emissionen zu reduzieren. Und im Einkauf haben wir ein Country-Risk-Assessment-Tool sowie einen Nachhaltigkeitskriterienkatalog für Lieferanten eingeführt. Bis 2015 wurden 82% der Hauptlieferanten anhand des Katalogs bewertet, bis 2020 sollen 100% erreicht werden.
Darüber hinaus fokussieren wir uns derzeit auf die stärkere Rückwärtsintegration bei unseren wichtigen Rohstoffen. Unser Anspruch ist es, die Felder und Landwirte zu kennen sowie die Bedingungen, unter denen unsere Rohstoffe erzeugt werden. Denn nur dann können wir auch die volle Verantwortung für unsere Produkte übernehmen.
Für unser Nachhaltigkeitsmanagement in der Lieferkette und im Betrieb wurden wir aktuell für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2016 nominiert, der in wenigen Tagen am 25. November in Düsseldorf verliehen wird.
Woher stammen Ihre Rohstoffe?
Dr. H.-J. Bertram: Einen unserer Hauptrohstoffe, die Zwiebeln, beschaffen wir aus kontrolliertem Anbau in Deutschland, Holland, Großbritannien und Frankreich. Das verkürzt Transportwege und verringert den Lageraufwand, gleichzeitig wird die Qualität in enger Zusammenarbeit mit Landwirten und Forschungsinstituten optimiert, sodass wir nahezu 100% des Rohstoffs verwerten können.
80% der weltweiten Vanilleproduktion kommen aus Madagaskar. Hier arbeitet Symrise seit vielen Jahren mit Vanillebauern im Nordosten des Landes zusammen. Damit mehr Wertschöpfung aus der Vanilleproduktion vor Ort bleibt, haben wir dort eine Extraktionsfabrik gebaut. Alle Schritte der Verarbeitung von der Fermentation bis zur Extraktion der Vanille finden nun in Madagaskar statt. Das Modell zählt zu den weitreichendsten Nachhaltigkeitsprojekten in der gesamten Vanilleindustrie: Mehr als 30.000 Menschen profitieren direkt und indirekt im Hinblick auf Einkommen, Gesundheit, Bildung und Ausbildung. Darüber hinaus reinvestiert Symrise 10% der Erträge in Madagaskar in Bildung und Ausbildung, Wiederaufforstung und den nachhaltigen Anbau verschiedener Agrarrohstoffe auf der Insel.
Neue und nachhaltig produzierte Produkte sind ein Weg, um den Umsatz zu steigern. Denken Sie darüber hinaus auch über völlig neue Geschäftsmodelle nach?
Dr. H.-J. Bertram: Ja, wir haben zum Beispiel eine Technologie entwickelt, mit der wir den Verlust von Aromen vermeiden können. Wenn Sie heute durch eine Brauerei gehen, riecht es in der Regel nach Bier. Das dürfte eigentlich nicht sein, denn das Aroma gehört ins Bier und nicht in die Luft. Mit unserer Technologie können wir viele wertvolle natürliche Aromen aus der Luft zurückgewinnen. Und dann greift das neue Geschäftsmodell: Der Kunde kann die zurückgewonnenen Aromen behalten und zahlt dafür oder er behält kostenfrei einen Teil und wir verwerten den Rest in neuen Aromen. Darüber hinaus sind viele weitere Modelle denkbar, ähnlich wie beim Franchising oder Licensing.
Und hier kommen wir wieder auf den Anfang unseres Gesprächs zurück. Nur Aromen und Duftstoffe zu kreieren, reicht auf Dauer nicht aus, um erfolgreich zu bleiben. Deshalb setzen wir auf die Evaluation unseres Geschäfts und entwickeln es behutsam weiter, in Richtung neuer Geschäftsfelder ebenso wie neuer Geschäftsmodelle.