Pharmalogistik: Digitalisierung als Kostensenker?
Pharmaserv Logistics: Pharma Supply Chain Symposium widmet sich aktuellen Pharmalogistik Trends
Bereits zum zweiten Mal haben die Pharmalogistikexperten von Pharmaserv Logistics ein Symposium zu den aktuellen Trends in der Pharmalogistik ausgerichtet. In vier Vorträgen berichteten an der Pharma Supply Chain-beteiligte Unternehmen über Trends beim Export von Fertigarzneimitteln, in der Entwicklung von Luftfrachtverpackungen, im Business Process Management (BPM) und bei der Digitalisierung in der Pharmalogistik.
Nach einer kurzen Begrüßung durch Manuel Papstein, Leiter Business Development bei Pharmaserv Logistics begann das Symposium mit Matthias Loth, dem Director Logistics Operations Europe von CSL Bering, als Vertreter eines führenden Pharmaunternehmens im Bereich Plasmaprotein-Biotherapeutika. Als Auftraggeber innerhalb der Supply Chain brachte er seine Sicht der Dinge unter dem Vortragstitel „Trends beim Export aus Sicht eines globalen Arzneimittelherstellers“ ein. Loth betonte gleich zu Beginn, dass ein erhöhter Kostendruck auf Seiten der Pharmahersteller stets in einer Reduzierung der Transportkosten münde. Aktuell seien Luftfrachtkapazitäten knapp, weshalb Pharmatransporte nun verstärkt per Seefracht liefen. Aufgrund von Konsolidierungen im Markt und dem Abwracken älter Schiffe ist laut Loth künftig aber auch mit einer Verknappung der Seefrachtkapazitäten zu rechnen.
Datenanalyse und Smart Devices
Einen weiteren Trend sieht Loth in Techniken wie dem Realtime Tracking von Lieferungen, wobei sich Daten aus verschiedenen Systemen verknüpfen lassen. Dies ermögliche eine zeitnahe Reaktion auf Temperaturabweichungen oder Diebstähle. Auch diene die Datenanalyse der Optimierung von Lieferketten und die Nutzung der gewonnen Daten der weiteren Automatisierung von Prozessen.
Eine nützliche Folge könnte sein, dass Systeme automatisch miteinander kommunizieren, um den besten Flug für eine Lieferung zu finden oder dass basierend auf den Beständen und geplanten Verkäufen automatisch Nachbestellungen ausgelöst werden. Fahrerlose Lkw könnten in der Zukunft auch die Ware zum automatisierten Lager liefern.
Als künftigen Trend sieht Loth auch die Vermarktung von Arzneimitteln zusammen mit „Smart Devices“, die dann auch gemeinsam versendet würden. Die Smart Devices lieferten Daten für z.B. elektronische Patienten-Tagebücher und in Folge ließen sich die gewonnen Daten zur Optimierung der Supply Chain Prozesse nutzen. Loth wies auch auf „Spitram“, das erste FDA-zugelassene Medikament aus einem 3D-Drucker, hin. Der 3D-Druck könne zu einer drastischen Veränderung der Lieferkette führen.
Trends bei Luftfrachtverpackungen
Wichtige Impulse zu aktuellen „Entwicklungen auf dem Markt der Luftfrachtverpackungen“ gab der Vortrag von Fabian Eschenbach, Leiter des Geschäftsbereiches Healthcare & Logistics von Va-q-tec. Ein generelles Wachstum und die Globalisierung der Supply Chain seien feststellbar. Erhöhte Regulierung und ein Zuwachs an temperaturgeführten Transporten sei zu verzeichnen. Da zahlreiche Wirkstoff-Hersteller in Asien sitzen, würde die Kühlkette nun verstärkt auch in den asiatischen Markt reichen.
Durch die GDP-Richtlinie haben sich die Anforderungen an die Transportüberwachung verschärft. Zudem gelangten immer mehr temperatursensible Medikamente, Biopharmaka und Impfstoffe in den Markt. Eschenbach: „Die Kosten für diese Medikamente werden wachsen, die Logistikkosten sollen aber nicht oder nur geringfügig steigen.“
In den Jahren 1995 bis 2004 habe sich der Luftfrachtcontainermarkt stark entwickelt. 2005 kam der Envirotainer auf den Markt, der erstmals die Möglichkeit bot, aktiv zu erwärmen und zu kühlen. Seit 2010 seien keine weiteren Entwicklungen in diesem Sektor zu verzeichnen. Ein Problem der aktiven Luftfrachtcontainer sieht Eschenbach u.a. in der nötigen Aufladung der Batterien während eines längeren Transports. Zudem sei unter dem Aspekt der TCO (Total Cost of Ownership) eine passive Kühllösung meist zu bevorzugen.
Der volumenstärkste Transportbereich für Arzneimittel sei heute der Ambientbereich (15°-25°C). Für hochempfindliche Plasmaprodukte in extremen Tieftemperaturbereichen (< -30°C, < -60°C) müssten aber künftig neue, tragbare Lösungen gefunden werden. Die zentralen Zukunftsthemen sieht er in hoher Qualität der Transporteure und Services, neuen Temperaturbereichen, einem Gesamtkostenbewusstsein der Verlader und einer Reduktion der Gesamtkosten.
Treiber der digitalen Transformation
Zum Themenkomplex Digitalisierung informierte Jan Bernstorf, Director bei Bearingpoint mit seinem Referat „Wie Geschäftsprozessmanagement die digitale Transformation bei Pharmaunternehmen vorantreibt“ und gab dabei Einblicke in die aktuelle Studie „Business Process Management (BPM)– Wie Unternehmen ihre digitale Transformation erfolgreich meistern“. Bernstorf erläuterte das veränderte Kundenverhalten, das anspruchsvoller hinsichtlich Informationsbedarf und Einbindung, aber teils auch unberechenbarer geworden sei.
Für Unternehmen gälte es, neue Geschäftsmodelle mit einer End-to-End Prozessbetrachtung unter Datenerhebung und-nutzung zu entwickeln. Gefragt sei heute eine agile Organisationsstruktur – horizontal und prozessorientiert. BPM sei hierbei Treiber für die digitale Transformation und diene als Ansatz zur Optimierung und Steuerung von Geschäftsprozessen.
Laut Ergebnissen der BPM-Studie nutzen Pharma- und Chemieunternehmen BPM bevorzugt zur Harmonisierung der Systemlandschaft, Adressierung gesetzlicher Anforderungen und Kostenoptimierung. Bei der Prozessdigitalisierung und Entwicklung neuer digitaler Produkte und Dienstleistungen bestehe jedoch noch großer Handlungsbedarf. BPM könnte dabei die maßgebliche Grundlage für eine Neugestaltung und Integration der Kunden in die unternehmenseigenen Prozesse bilden.
Für erfolgreiches BPM müssen sich Digital-, Prozess- und IT-Community regelmäßig zu Strategien, Initiativen und Zielen abstimmen. Der Wertbeitrag von BPM ließe sich durch digitale Lösungen ergänzen und stärken. Hier sei u.a. Process Mining zu nennen, das der aktiven Messung der Prozessleistung in Echtzeit diene und die Entscheidungsgrundlage für Prozessverbesserungen bilden könne. Es lässt erkennen wie Prozesse (z.B. Durchlaufzeiten in der Herstellung) tatsächlich ablaufen. Digitalstrategie und BPM seien leider selten abgestimmt und es fehle meist noch die professionelle Prozessmessung sowie ein Prozesscontrolling.
Zusammenarbeit gefordert
Für den Gastgeber Pharmaserv Logistics hielt Vice President Martin Egger den Schlussvortrag mit dem Titel „Einfluss von Serialisierung und Digitalisierung auf globale und operative Logistikprozesse aus Sicht eines 3PL“. Hinter dem Wort Digitalisierung stehe für jeden etwas anderes: z.B. Industrie 4.0, Blockchain oder Big Data. Doch scheine es mehr als ein Hype zu sein und so fragt Egger: „Was bedeutet dies konkret für das eigene Unternehmen? Welche Möglichkeiten der Digitalisierung gibt es im Lager?“
Um Prozesse zu automatisieren, sind alle Stammdaten zu erfassen. Wichtig sei es dabei, die Daten von Anfang an richtig und vollständig zu erfassen, nach dem Motto: „Do it right the first time“. Digitale Prozesse erlauben lt. Egger eine effizientere Kommissionierung, z.B. mit Datenbrille, aber auch Lagerrobotern und fahrerlosen Systemen. Dateneinlesung über Datalogger direkt in die Cloud würden automatisierte, regelbasierte Freigabeprozesse ermöglichen.
Die EU-Fälschungsrichtlinie 2011/62/EU schreibt neben der Anbringung von Sicherheitsmerkmalen an der Arzneimittelverpackung (Anti-Tampering-Device) die Serialisierung vor, d.h. alle verschreibungspflichtigen Medikamente sind mit einem Data-Matrix-Code mit individueller Seriennummer zu versehen. Dies werfe für Dienstleister wie Third party logistics provider (3PL) viele Fragen auf, wie: Bei welchen Prozessen sind die 3PL betroffen? Oder wo werden die Serialisierungsdaten vorgehalten?
Zum Serialiserungsthema gab Egger mehrere Beispiele, u.a. die Integration eines 3PL. Dieser erhält die entsprechenden Serialisierungsdaten des Manufactoring Authorization Holder (MAH) über eine Schnittstelle beim Wareneingang. 3PL muss die Daten in seinem Warenmanagement System verarbeiten und bei Kommissionierungen de- und re-aggregieren können.
Als Beispiel für die Nutzung digitaler Möglichkeiten nannte Egger-das Thema „Monitoring und Tracking von Temperatur- und Technikdaten“. Hier bestünden die Herausforderungen im Wesentlichen in der Datensicherheit innerhalb von Cloudlösungen, sowie in der Konsolidierung der Lager- und Transportdaten in einem System über alle beteiligten Partner hinweg.
Sein Fazit: Eine Prozessverbesserung durch Digitalisierung lässt sich erreichen, aber dazu muss die Datenqualität verbessert werden. Digitalisierungsprojekte erforderten die Zusammenarbeit aller an der Pharma Supply Chain beteiligten Partner. (sa)