Logistik & Supply Chain

Geschäftsmodelle in der Chemielogistik

Veränderung der Zusammenarbeit von Produzent und Dienstleister in der chemischen Industrie (Teil 4)

27.01.2014 -

Das Leistungsangebot des Chemielogistikers hängt maßgeblich von den Bedürfnissen des Chemieproduzenten ab. Dabei ist entscheidend, ob der Produzent seine logistischen Bedürfnisse bereits selbst erkannt hat. Der Chemielogistiker kann aktiv dazu beitragen, die Bedürfnisse des Produzenten neu zu definieren und in eigene innovative Geschäftsmodelle zu überführen. Eine gemeinsame Analyse des Chemielogistik Supply Chain Typen schafft Transparenz über die primären Bedürfnisse des Produzenten.

Chemielogistik Supply Chain Typen

Zur Typologisierung von Supply Chains in der Chemie dient die Skizzierung von drei Szenarien, aus denen drei normierte Supply Chain Typen entstehen. Der identifizierte Supply Chain Typ ist die Charakteristik des Chemiegeschäftes durch eine „Logistik-Brille" betrachtet. Man unterscheidet drei Typen:

- Supply Chain Typ „Lean Chemical Logistics": Logistik wird als reiner Kostenfaktor gesehen, Logistikprozesse sind in der Regel standardisiert und stark repetitiv, vorwiegend in Geschäftsmodellen der Chemischen Grundstoffe („Logistik ohne Schleife und Schnörkel")

-Supply Chain Typ „Agile Chemical Logistics": eigenständiger Charakter der Logistik als strategischer Wettbewerbsvorteil im Mittelpunkt, Spezifika der Wertschöpfungskette verstehen, Logistik hat dann einen großen Anteil am Erfolg des Geschäftes, innovative Optimierung der Wertschöpfungskette darf einen deutlichen Kostenanteil ausmachen

-Supply Chain Typ „Chemical Service Logistics": Logistik ist strategischer Wettbewerbsvorteil und dient direkt der Leistungsdifferenzierung gegenüber Wettbewerbern, chemische Produkte decken einen Zusatznutzen wie Logistikservices preislich ab, komplexere Serviceleistungen sind zu finden

Die Chemielogistik-Studie enthält eine erste ausführliche Darstellung von Anforderungen und Ausprägungen der Supply Chain Typen.

Geschäftsmodelle in der Chemielogistik

Es existieren in der Chemielogistik zahlreiche Möglichkeiten ein Logistik-Geschäftsmodell auszuprägen. Jedes Geschäftsmodell muss durch sein Alleinstellungsmerkmal überzeugen und den Chemieproduzenten in seinen Kernprozessen und Anforderungen an sein Kerngeschäft optimal ergänzen.

Die wichtigsten Kriterien zur Einordnung in ein Geschäftsmodell sind die Wertschöpfungsstufe des Chemieunternehmens, die Fähigkeit zur Integration logistischer Leistungen in der Chemie, der Abdeckungsgrad der logistischen Kernprozesse und der Outsourcinggrad bzw. die Eigentümerstruktur. Die zukünftigen Chemielogistik-Geschäftsmodelle sind Transportlogistik Plus, Kontraktlogistik und Komplettlogistiker/ Supply Chain Manager.

Die reine Einzelleistung ermöglicht dem Produzenten zukünftig nur mit Größenvorteilen des Dienstleisters das notwendige Optimierungspotential, um den logistischen Beitrag zur Wettbewerbssicherung zu generieren. Zusätzlich werden die Chemielogistiker ihre Geschäftsmodelle in einer Nische (siehe Kriterien hier) breiter aufstellen, um eine Austauschbarkeit zu minimieren und Margen zu erhöhen.


Teil 1 ist erschienen in CHEManager 17/2013.

Teil 2 ist erschienen in CHEManager 19/2013.

Teil 3 ist erschienen in CHEManager 21-22/2013

 

 

 

Interview mit Uwe Veres-Homm, Fraunhofer SCS

 CHEManager: Kann sich ein Logistikdienstleister (DL) als reiner „Transportspezialist" heute noch in der Chemielogistik behaupten?

U. Veres-Homm: Es gibt durchaus erfolgreiche Dienstkleister auf dem Markt für Chemielogistik, die sich stark auf den klassischen Transportbereich konzentrieren. Das Erfolgskonzept liegt hierbei in der Spezialisierung: In einem so vielfältigen Bereich wie der Chemielogistik kann bei Fokussierung auf einen Transportmodus bzw. einen Aggregatszustand eine Nische zur intensiven Marktbearbeitung gesichert werden. Es gibt z.B. einige Unternehmen, die nahezu ausschließlich den Transport flüssiger Gefahrstoffe auf der Straße anbieten, andere bewegen diese Güterart nur auf der Schiene. Die große, meist langjährig gewachsene Erfahrung in diesem Segment bringt Prozesskompetenz und eine verlässliche Kalkulation mit sich. Aufgrund der relativ hohen Eintrittsbarrieren hinsichtlich spezifischer Transportmittel und Know-how gibt es zudem nur wenige Konkurrenten. Allerdings ist der Preiswettkampf unter den wenigen etablierten Anbietern meist umso härter, da die reine Transportdienstleistung an sich für den Verlader leicht substituierbar ist.

Ist es als DL für die Chemiebranche überhaupt wichtig, sich auf ein bestimmtes Geschäftsmodell einzulassen, oder sollte man besser große Flexibilität in seinem Leistungsangebot zeigen?

U. Veres-Homm: Trotz der Größe und Vielfalt des Marktes für Chemielogistik ist es für einen Logistikdienstleister unerlässlich, sein Angebotsprofil gegenüber der durchaus vorhandenen Konkurrenz zu schärfen. Das Angebot einer Komplettlösung „aus einer Hand" wird angesichts der hohen Komplexität der chemischen Wertschöpfungsketten noch relativ selten in Anspruch genommen. Für den Verlader muss in jedem Fall ein klares Alleinstellungsmerkmal ersichtlich sein, warum gerade dieser Anbieter den Zuschlag erhalten soll. Ansonsten laufen die Verhandlungen nahezu ausschließlich über den Preis, hier liegt die Machtposition im Zweifel jedoch klar auf Seiten der Produzenten. Die notwendige Differenzierung kann über die bearbeitete Wertschöpfungsstufe (Petro- vs. Spezialitätenchemie), die Integrationstiefe in Verladerprozesse, den regionalen Abdeckungsgrad oder die Eigentümerstruktur erfolgen.

Welche Geschäftsmodelle bieten nach heutigem Stand in der Chemielogistik die besten Zukunftsaussichten? Oder anders formuliert: Welchen Geschäftsmodellen der Chemielogistik gehört die Zukunft?

U. Veres-Homm: Der Trend geht ganz klar in Richtung einer stärkeren Integration des Dienstleistungsangebots in die operativen Prozesse der Chemieproduzenten. Die Übernahme von Zusatzdienstleistungen wie Umfüllen, Verpacken, Qualitätsprüfung und Lagerung bis hin zu einem ganzheitlichen Management der Supply Chain führt zu einer verstärkten beiderseitigen Abhängigkeit zwischen Verlader und Dienstleister. Dieser Umstand wird gerade von den großen Chemiekonzernen kritisch betrachtet. Durch die kombinierte Abwicklung von Logistikprozessen für mehrere Kunden werden jedoch auch Effizienzsteigerungen und die Ausnutzung von Synergieeffekten auf Seiten der Dienstleister möglich. Angesichts des noch relativ geringen Outsourcinggrades in der Chemielogistik sind insbesondere im Bereich dieser integrierten Dienstleistungen noch weitere Wachstumspotentiale für Logistikdienstleister zu erwarten.


Teil 1 ist erschienen in CHEManager 17/2013.

Teil 2 ist erschienen in CHEManager 19/2013.

Teil 3 ist erschienen in CHEManager 21-22/2013