Kommunikation bei Infrastrukturprojekten
Wenn Akzeptanzprobleme Infrastrukturprojekte lähmen, kann professionelle Kommunikation helfen
Unverzichtbar oder unverantwortlich - so unterschiedlich kann das Urteil von Projektträgern geplanter Industrieanlagen und von den betroffenen Anwohnern ausfallen. Beide Standpunkte sind verständlich: Den Betreibern geht es um den Ausbau der Produktion und wirtschaftliches Wachstum. Die Bevölkerung fürchtet Störfälle. Kommt es in einer solchen Situation nicht zum Dialog, sind Protest und Widerstand vorprogrammiert.
Drei Jahre ist es mittlerweile her, dass Bayer MaterialScience seine CO-Pipeline zwischen den Standorten Dormagen und Krefeld-Uerdingen fertig gestellt hat. Das Unternehmen hat viel investiert, um die Rohstoffversorgung für die Herstellung hochwertiger Kunststoffe im eigenen Unternehmen und in angrenzenden Chemieparks sicherzustellen. In Betrieb nehmen konnte das Unternehmen seine Leitung jedoch noch nicht. Denn der Protest der besorgten Bürger war zu massiv. Anwohner, unterstützt von Bürgerinitiativen und von Kommunen am Trassenverlauf, klagten und erwirkten 2007 einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster, dass die Pipeline zwar weiter gebaut, aber nicht betrieben werden dürfe.
Die Bayer-Pipeline ist kein Einzelfall. Deutschland- und weltweit stehen Infrastrukturprojekte unter kritischer Beobachtung von Anwohnern und Bürgerinitiativen, wie etwa die Gaspipeline des US-Chemiekonzerns Dow im Log-Park Hamburg oder die geplante Chemiefabrik von Sichuan Hongda im chinesischen Shifang, die durch massive Bürgerproteste verhindert wurde. Nicht anders sieht es derzeit bei Verkehrs- und Energieprojekten aus. Weder die Erdgasförderung mittels Fracking noch der Bau von Kraftwerken oder Stromtrassen sind derzeit ohne den Protest der Bürger vorstellbar.
Projektträger müssen erst noch lernen, damit umzugehen - nicht nur aus der Industrie. Auch Verwaltung und Politik haben den Sorgen der Bevölkerung lange Zeit weniger Gewicht beigemessen als industriepolitischen Gesichtspunkten.
Im Rahmen von Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren fanden Erörterungstermine häufig unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Und auch die Volksvertreter in Bund, Land und Stadt attestieren Infrastrukturprojekten über Fraktionsgrenzen hinweg, dass sie dem Gemeinwohl dienten, ohne wahrzunehmen, dass die Bevölkerung vor Ort ganz anders darüber dachte. Kein Wunder, wenn die Bürger versuchten, sich mit Protestkundgebungen Gehör zu verschaffen oder auf dem Klageweg einen Baustopp zu erwirken. Die Folge waren allzu oft deutliche Verzögerungen im Projektablauf.
Neuregelung der Planfeststellung bringt kaum Fortschritte
Um die Planung und Fertigstellung von Großprojekten zu beschleunigen, hatte das Bundesinnenministerium noch Anfang 2011 vor, die Mitwirkungsrechte der Bürger einzuschränken. Erst die Proteste um Stuttgart 21 haben zu einer neuen Sichtweise geführt: Ohne den Bürger geht es nicht. Ein Gesetzesbeschluss der Bundesregierung von Februar 2012 zur Neuregelung von Planfeststellungsverfahren sieht nun eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung vor. Der Schönheitsfehler: Es bleibt dem Ermessen des Projektträgers überlassen, wann und wie er die Öffentlichkeit einbezieht.
Auch die neue Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, dem wichtigsten Chemiestandort in Deutschland, will den Unternehmen nicht vorschreiben, wie sie mit der Bevölkerung umzugehen hat. Garrelt Duin, der frischgebackene Wirtschaftsminister, empfiehlt den Unternehmen allerdings dringend größere Dialogbereitschaft: Die Industrie müsse Infrastrukturprojekte von Anfang an mit den Anwohnern gemeinsam gestalten, so der Minister unlängst in einem Interview mit der Rheinischen Post. Und um den Druck auf die Unternehmen zu erhöhen, beabsichtigt er Anwohnern Ombudsleute zur Seite zu stellen.
Indes: Die Forderung nach größerer Dialogbereitschaft gilt für allen Beteiligten. Der Verantwortung für die störungsfreie Umsetzung von Infrastrukturprojekten und der Herausforderung, den Bürger dabei stärker einzubeziehen, müssen sich Industrie, Verwaltung und Politik stellen. Und auch vom Bürger ist bei vielen Infrastrukturprojekten mehr Gemeinsinn zu fordern.
Infrastrukturprojekte verlangen professionelle Kommunikation
Was ist also zu tun? Der Dialog zwischen den Anspruchsgruppen ist frühzeitig, transparent, fair und im Idealfall ergebnisoffen zu führen. Deshalb ist professionelle Kommunikation gefragt. Das bedeutet:
- Schon beim Projektstart von großen Infrastrukturvorhaben sollten die Kommunikatoren eingebunden werden. Sie können etwaige Risiken einschätzen und Strategien für den Dialog mit Betroffenen und der Öffentlichkeit entwickeln. Für die Dauer des Projektes sollte ein direkter Draht zwischen Projektleitung und Kommunikation bestehen.
- Fundierte Kommunikationsstrategien analysieren die Anspruchsgruppen. Ein sog. Stakeholder-Mapping hilft dabei, die Gegner und die Befürworter besser kennenzulernen, ihre Positionen zu verstehen und eine erfolgreiche Argumentation aufzubauen. Nicht zu vergessen: Anwohner oder andere Betroffene können teilweise wertvolle Informationen liefern, da sie mit der Situation vor Ort bestens vertraut sind.
- Ergebnis der Kommunikationsstrategie ist die Definition klarer Botschaften, die einfach und prägnant formuliert werden müssen. Das ist nicht immer leicht, angesichts der Komplexität von Großprojekten, aber dringlich.
- Wer vorbereitet ist, kann proaktiv handeln, Konfliktpotentiale im Idealfall schon im Vorfeld entschärfen und damit verhindern, dass es zu Protesten kommt. Frühzeitige, umfassende Informationen über in Planung befindliche Projekte bieten die Chance, Themen zu setzen und Meinungen zu beeinflussen. Das ist einfacher, als Gerüchten oder möglicherweise Fehldarstellungen entgegenzutreten.
- Die Breite der Anspruchsgruppen sollte sich in der Breite des Instrumentariums wiederspiegeln. Die beste Wirkung erzielt eine Mischung an Kommunikationsmaßnahmen: von der klassischen Pressearbeit, über Online-Kommunikation, Social Media, Mailings, Nachbarschaftszeitungen, Sponsoring von Förderprojekten, Info-Mobile oder -Ständen auf Straßenfesten, Informationsveranstaltungen bis hin zu runden Tischen und Mediationsverfahren.
- Es gilt der alte Spruch „Ehrlich währt am Längsten". Die Kommunikation sollte sachlich und faktenorientiert sein. Und das selbst dann, wenn der Gegner mit unfairen Tricks arbeitet. Das Übertünchen von kritischen Aspekten eines Projektes funktioniert nicht. Alles kommt ans Licht.
- Krisenszenarien müssen durchdacht und vorbereitet werden. Ein wichtiges Instrument zur Steuerung von Krisen ist das Monitoring der Presseberichterstattung sowie der neuen Informationskanäle, die durch soziale Netzwerke entstanden sind. Um dann schnell und richtig reagieren zu können, bedarf es einer klaren Definition der Verantwortlichkeiten und Abläufe für den Notfall.
- Auch wer frühzeitig einen Dialog begonnen hat, darf nicht erwarten, dass die Kommunikation ein Selbstläufer ist. Infrastrukturprojekte können sich über Jahrzehnte hinziehen. Einmal mit öffentlicher Zustimmung getroffene Entscheidungen für ein Vorhaben können beispielsweise durch Planänderungen ihre Akzeptanz verlieren. Kommunikation bei Infrastrukturprozessen muss deshalb auf Kontinuität angelegt sein.
Zugegeben, manche Projektgegner wird man nie überzeugen. Die Proteste gegen Stuttgart 21 haben selbst nach der Volksabstimmung nicht aufgehört. Aber die meisten Menschen sind für sachliche Argumente zugänglich. Insofern kann Kommunikation nicht versprechen, Konflikte zu verhindern. Sie ist aber unverzichtbarer Teil der Lösung von Konflikten.
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