Anlagenüberwachung: Dekra will Marktöffnung als Chance nutzen
28.07.2011 -
Anlagenüberwachung: Dekra will Marktöffnung als Chance nutzen Anfang 2006 wurde der Markt für die Überprüfung so genannter überwachungsbedürftiger Anlagen in einem ersten Schritt für Neuanlagen liberalisiert. Ab dem 1. Januar 2008 werden dann die bislang noch gültigen Beschränkungen für Altanlagen aufgehoben. Dann können sich die Betreiber überwachungsbedürftiger Anlagen – vor allem Druckgeräte und explosionsgeschützte Anlagen – für die vorgeschriebenen Prüfungen einen zugelassenen technischen Dienstleister frei wählen. Bislang waren dafür ausschließlich die jeweils regional zuständigen Technischen Überwachungsvereine (TÜV) durch den Gesetzgeber beauftragt bzw. zuständig. Die Dekra will in diesem Markt, der in Deutschland etwa 1,6 Mio. Anlagen mit einem Volumen von 330 Mio. € umfasst, kräftig mitmischen und den bisherigen Monopolisten flächendeckend Konkurrenz machen. CHEManager befragte Dr. Walter Pelka, Geschäftsführer der Dekra Testing & Inspection, zur Marktöffnung und den Zielsetzungen seines Unternehmens. Die Fragen stellte Dr. Dieter Wirth.
CHEManager: Herr Dr. Pelka, die Dekra will mit ihren Industriedienstleistungen im Bereich überwachungsbedürftiger Anlagen dem Noch-Monopolisten Konkurrenz machen. Wie hat sich die Dekra darauf vorbereitet? Wie ist das Unternehmen aufgestellt?
Dr. Walter Pelka: Zunächst haben wir die formalen, inhaltlichen und rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um in diesem Bereich als Zugelassene Überwachungsstelle, ZÜS, tätig werden zu dürfen. Wir sind in allen 16 Bundesländern für die Überwachung von Aufzügen, Druckgeräten und explosionsgefährdeten Anlagen zugelassen. Die Anforderungen der Zentralstelle der Länder für Sicherheit sind recht hoch. Wir halten dies für richtig. Schließlich üben die Zugelassenen Überwachungsstellen eine sehr verantwortungsvolle und anspruchsvolle Tätigkeit für die Industrie und die Gesellschaft aus. Dann haben wir in den vergangenen Jahren schrittweise Fachleute mit der erforderlichen Qualifikation eingestellt oder ausgebildet. In Deutschland sind wir mit nahezu 30 Standorten bereits flächendeckend vertreten, um die gesamten Dienstleistungen von Dekra für die Industrie anzubieten. Und wir werden dieses Netz auf über 50 Standorte ausbauen. Vorteilhaft ist hierbei auch, dass wir uns auf die Flächenpräsenz der Dekra Automobil mit über 480 Standorten in Deutschland stützen können. Die Dekra wächst aber nicht nur in der Fläche, sondern in neuen Kompetenzfeldern. Deshalb haben wir zu Beginn dieses Jahres die Exam BBG erworben. Das Unternehmen ist Marktführer im Bereich Explosionsschutz in Deutschland und nun als Dekra Exam voll integriert. Mitte des Jahres haben wir einen Spezialisten für die Prüfung der Maschinenrichtlinien übernommen, der nun als Dekra Maschinery & Equipment am Markt tätig ist. Bei der Überprüfung überwachungsbedürftiger Anlagen in der Chemie- und Pharmaindustrie ist nicht nur Sachkenntnis, sondern sicherlich auch Erfahrung ein wichtiger Pluspunkt.
CHEManager: Können Ihre Mitarbeiter auf diesem Gebiet den TÜV’s Paroli bieten?
Dr. Walter Pelka: Davon bin ich überzeugt, denn sonst hätte ich diese nicht eingestellt. Wir haben bewusst besonders erfahrene Mitarbeiter aus der Industrie eingestellt und weitergebildet. Von diesen Mitarbeitern erwarten wir ein besonders hohes Verständnis für die Kundenerwartungen und eine besondere Kundennähe auf Grund ihres eigenen beruflichen Erfahrungshintergrundes. Unsere Experten sind bereits seit einigen Jahren im Bereich der Produktprüfung von Maschinen und Anlagen tätig. Wir bringen diese in Verkehr und prüfen seit Anfang 2006 wiederkehrend Neuanlagen. Seit die anstehende Liberalisierung bekannt wurde, sind in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Mitarbeitern aller regionalen Überwachungsvereine zu uns gestoßen. Die Mitarbeiter, die im Bereich der überwachungsbedürftigen Anlagen tätig sind, werden darüber hinaus von Mentoren bei einem intensiven und praxisorientierten Ausund Weiterbildungsprogramm begleitet.
CHEManager: Was ist Ihr Unternehmensziel? Welchen Marktanteil haben Sie im Auge?
Dr. Walter Pelka: Die Dekra möchte bis 2010 zwei Milliarden € Umsatz machen und wir möchten mit einem erheblichen Teil zum Wachstum beitragen. Wir wollen die Erfolgsgeschichte wiederholen, die die Dekra bei den Hauptuntersuchungen für Autos geschrieben hat: Den Monopolisten überholen und Marktführer werden: Wir haben uns vorgenommen mittelfristig 25 bis 30 % des Marktes in Deutschland zu bedienen. Die Dekra hat sowohl die Kompetenz als auch die Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Ab 2008 fällt nicht nur das Monopol, sondern damit auch die bislang festgesetzte Gebührenordnung.
CHEManager: Wie wird sich die Dekra dabei positionieren? Konkret: Wird die Dekra günstiger sein als nach der Gebührenordnung?
Dr. Walter Pelka: Wettbewerb schafft Transparenz. Deshalb werden vermutlich alle Anbieter ab dem kommenden Jahr etwas unterhalb der bisherigen Gebührenordnung liegen. Wir erwarten jedoch keinen Preisrutsch. Der seriöse Spielraum bei der Preisgestaltung ist gering: Alle Prüfleistungen erfordern hoch qualifizierte und erfahrene Ingenieure. Verantwortungsvolle, kundenorientierte Überwachung erfordert ihre Zeit. Die Kosten- und Gehaltsstrukturen der Wettbewerber werden sich nicht wesentlich von unseren unterscheiden. Deshalb sind Prüfzeit und Personalkosten die bestimmenden Kostenfaktoren. Entscheidend ist deshalb nicht der Preis, sondern die Servicequalität und der Mehrwert der angebotenen Leistungen. Dort wollen wir besser sein.
CHEManager: Mit welchen besonderen Dienstleistungen bzw. zusätzlichen Leistungen kann die Dekra im Bereich von überwachungsbedürftigen Anlagen den Kunden aufwarten?
Dr. Walter Pelka: Unsere Kunden stehen in einem harten globalen Wettbewerb. Ziel unserer über den gesetzlich geregelten Rahmen hinausgehenden Leistungen ist es, die Produktivität der Anlagen durch eine Senkung der laufenden Kosten und eine weitere Verbesserung der Verfügbarkeit der Anlagen zu erhöhen.
CHEManager: Können Sie das im Einzelnen bitte etwas näher erklären? Worin besteht der Nutzen bzw. Mehrwert für den Kunden?
Dr. WalterPelka: Ein Beispiel: Bei einer innovativen Prüfmethode wie der Risk Based Inspection, kurz RBI, werden die Versagenswahrscheinlichkeiten von Anlagenteilen und die durch ein Versagen dieses Anlagenteils entstehenden Auswirkungen detailliert bewertet. Basierend auf dieser Einschätzung werden angepasste Inspektionszyklen und Inspektionsmethoden festgelegt. RBI wird in der Regel für statische Komponenten wie Armaturen, Behälter, Tanks oder Rohrleitungen eingesetzt und bietet eine verlässliche Plattform, um mögliche interne Prüfungen im Vorlauf zu einem geplanten Anlagenstillstand zu realisieren. Der Prüfungsaufwand wird auf relevante Bereiche konzentriert. Die Anlagensicherheit und Verfügbarkeit steigt bei gleichem oder sogar geringeren Prüfungsaufwand. Ein anderes Beispiel: ist die Reliability Centered Maintenance, kurz RCM, eine Methode die bei rotierenden Ausrüstungen wie Pumpen und Kompressoren eingesetzt wird. Mit dieser Methode kann das Management von Ersatzteilen optimiert werden. Dabei werden nur die Ersatzteile vorgehalten, die wirklich benötigt werden. Das spart Geld.
CHEManager: Welche weiteren vorgeschriebenen Prüfdienstleistungen bietet die Dekra an?
Dr. Walter Pelka: Neben den bereits erwähnten Prüfungen für überwachungsbedürftige Anlagen bietet Dekra alle baurechtlichen Prüfungen an, die in den Bundesländern erforderlich sind. Dies gilt für die Gebäudetechnik sowie für den Brand- und Explosionsschutz. Für Industrieunternehmen bietet Dekra mit der Liberalisierung alle relevanten Dienstleistungen zur Überprüfung von Sicherheitsoder Umweltschutzbelangen an. Dazu zählen Fragen der Arbeitssicherheit, des Explosionsschutzes, des Emissionsschutzes, des Gewässerschutzes oder des Umgangs mit gefährlichen Stoffen. Es gibt nur noch sehr wenig, was wir nicht tun können oder dürfen.
CHEManager: Ist die Dekra mit ihren Dienstleistungen zur Überprüfung überwachungsbedürftiger Anlagen auf Deutschland fixiert oder wollen Sie auch ins Ausland expandieren?
Dr. Walter Pelka: Dekra hat diesen Schritt bereits vor einigen Jahren getan und ist von einer deutschen Sachverständigenorganisation zu einem international agierenden Unternehmen geworden. Dies gilt vor allem für die industriellen Prüfleistungen. Dort wollen wir wachsen. Dekra hat vor zwei Jahren Norisko übernommen. Mit über 2.000 Mitarbeitern eines der größten Prüforganisationen in Frankreich. Damit sind wir als einzige Prüforganisation in den beiden größten Ökonomien der EU stark vertreten. Frankreich und Deutschland sind die jeweils wichtigsten Handelspartner. Dadurch ergeben sich für uns interessante Synergie- und Wachstumseffekte.