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Anlagentechnik: Festo lädt zu Kongress über PAT

23.04.2011 -

Anlagentechnik: Festo lädt zu Kongress über PATZum zweiten Mal lädt Festo die Biotech- und Pharmaindustrie zu einem Kongress unter der Überschrift „Best Automation Practice“ ein. Die Veranstaltung, die vom 25. – 26. Oktober in Frankfurt, Industriepark Höchst, stattfindet, widmet sich dem Thema „Automatisierung und PAT“ (PAT: Process Analytical Technology, eine Initiative der amerikanischen Federal Drug Administration, FDA). Das thematisch vielseitige Tagungsprogramm umfasst 10 Vorträge, die Festo zusammen mit NNE Pharmaplan, einem Dienstleister für Consulting, Engineering und Qualfizierung/Validierung in der Pharma- und Biotech-Industrie, aufgestellt hat. Behandelt werden zahlreiche Aspekte des Themas PAT im Zusammenhang mit Fragen der Automatisierung. CHEManager befragte Dr. Eckhard Roos, Leiter Prozessautomation bei Festo und Dr. Torsten Schmidt-Bader, Direktor GMP-Compliance & Validierung bei NNE Pharmaplan, zu diesem Kongress. Die Fragen stellte Dr. Dieter Wirth.

CHEManager: Herr Dr. Roos, bevor wir den Kongress thematisch aufgreifen, interessieren uns die Ambitionen, die Festo dazu veranlassen, sich im Bereich der Prozessautomatisierung – und dabei vor allem in der Biotechund Pharmaindustrie – so deutlich zu profilieren?

Dr. Eckhard Roos: Wir sehen uns als ‚ersten Ansprechpartner unserer Kunden’, wenn es um die Automatisierungstechnik geht. Diesem Anspruch möchten wir als Marktführer in der Fabrikautomatisierung auch in der Prozessautomatisierung gerecht werden. Daher haben wir im Jahr 2006 eine strategische Ausweitung unserer Geschäftstätigkeiten auf den Bereich der Prozessindustrien vorgenommen. Unsere weltweite Präsenz kann gerade im Biotech-/Pharmaumfeld einen wertvollen Beitrag für unsere Kunden leisten, da auch diese Industrien global aufgestellt sind und auch die Projekte einen globalen Charakter haben. Außerdem finden wir in den automatisierten Prozessen neben hohen Qualitätsanforderungen auch eine hohe Dichte automatisierter Funktionen, Sensoren und Aktoren. Diese Anlagencharakteristik passt ebenfalls hervorragend zu unserem Produkt- und Lösungsportfolio. Zudem haben uns die guten Prognosen für das weltweite Wachstum des Pharmamarktes zusätzlich bestärkt, deutlich in den Ausbau dieses Bereiches zu investieren.

CHEManager: Auf welche Bereiche der Prozessautomation ist Festo fokussiert?

Dr. Eckhard Roos: In alle Branchen, in denen es sich lohnt, Prozesse automatisiert zu betreiben, finden Sie Lösungen und Komponenten von Festo. Aus Sicht des Stammhauses legen wir natürlich einen Fokus auf bestimmte Branchen wie z. B. die Biotech- und Pharmaindustrie. Aus Produktsicht finden Sie unsere Systeme und Komponenten unterhalb der eigentlichen Prozessleitebene. Das heißt, unsere Aufgabe ist die dezentrale Automatisierung des eigentlichen Prozesses: von den automatisierten Prozessventilen über die pneumatische Versorgung bis zu Magnetventilinseln, Remote IO-Systemen und dezentralen Visualisierungs- und Steuerungssystemen. Welche besonderen Vorteile, kann Festo der Pharma- und Biotechindustrie mit seinen Lösungskompetenzen in der Prozessautomatisierung bieten?

CHEManager:Und inwiefern ist die Fabrikautomation dabei von Bedeutung?

Dr. Eckhard Roos: Speziell die Pharmaindustrie stellt hohe Anforderungen an die Verfügbarkeit der Produktionsprozesse. Die Teilkomponenten unserer Systeme durchlaufen bereits während der Entwicklungsphase einen „anspruchvollen“ Testparcours. Sollte es trotz aller Tests und QS-Maßnahmen zu einem Ausfall einer unserer Komponenten kommen, stehen eigene Analysemöglichkeiten zur Verfügung. Dies geht von Materialanalysen mit einem eigenen Computertomographen oder Rasterelektronenmikroskopie bis hin zu Messungen im eigenen EMV-Messlabor. Somit sind wir in der Lage, mögliche Fehlerquellen nachhaltig zu beseitigen und Neuentwicklungen schneller voran zu treiben. Dabei hilft uns natürlich auch unsere Kompetenz in der Elektronik sowie Mechanik/Pneumatik. Unsere Kompetenz in der Fabrikautomatisierung erlaubt es uns, viele der dort eingesetzten Technologien und Lösungen auch in der Prozessautomatisierung anzuwenden. Dazu gehören neben den eigentlichen Produkten auch Engineering- Leistungen, wie z. B. die Möglichkeit der Simulation eines pneumatischen Systems mit dem Ziel, Aussagen über das dynamische Verhalten bereits vor der Inbetriebnahme der Anlage zu bekommen.

CHEManager:Von welchen Überlegungen haben sich Festo und der Mitveranstalter NNE Pharmaplan bei der Aufstellung des diesjährigen Konferenzprogramms leiten lassen?

Dr. Eckhard Roos: Unter der Konferenzreihe „Best Automation Practice“ bieten wir eine Plattform für den breiten Informationsaustausch innovativer Technologiethemen. Wir legen bei der Auswahl der Themen Wert auf den engen Bezug zur industriellen Automatisierungstechnik. Daher haben wir das diesjährige Thema PAT gemeinsam mit unserem Mitveranstalter NNE Pharmaplan ausgewählt. Die Umsetzung des PAT-Konzepts in der industriellen Produktion erfordert aus unserer Sicht ein tiefgreifendes Wissen über den aktuellen Zustand des automatisierten Produktionsprozesses, dies beinhaltet auch die automatisierungstechnischen Komponenten. Dieses Thema sowie die Möglichkeiten dezentraler Vorverarbeitung von Signalen der Prozesssensorik werden wir im Rahmen der Konferenz kritisch betrachten.

CHEManager: Herr Dr. Schmidt-Bader, wer sich in Pharmaproduktion strikt an die GMP-Richtlinien hält, produziert nicht zwangsläufig 100 % Qualität. Kann PAT den Pharmaherstellern mehr bieten, also Prozessrisiken in der Wirkstoffproduktion und der Arzneimittelfertigung substanziell vermindern?

Dr. Torsten Schmidt-Bader: Ja, davon bin ich überzeugt. Die Tatsache, dass trotz GMP heute noch Chargen zurückgerufen werden, zeigt die Schwächen implementierter Qualitätssicherungssysteme. Einige Herstellprozesse sind in der Vergangenheit nicht optimal entwickelt worden und erscheinen für eine Routineproduktion nicht ausreichend robust. Bei PAT unterhalten wir uns ausschließlich über Produktionsrisiken und letztlich deren Folgen für den Patienten. Die Bewertung einzelner Qualitätsmängel kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen, nicht in jedem Fall stellt eine Abweichung vom spezifizierten Qualitätslevel ein Risiko dar. Die Bedeutung eines guten Risikomanagements für Prozesse, Produktionsausrüstung und Automatisierung wird zunehmend erkannt. PAT bietet den Pharmaherstellern die Möglichkeit, Herstellprozesse so zu entwickeln, dass Prozessoptimierung in der Routine jederzeit möglich und andererseits regulatorisch leichter umsetzbar wird.

CHEManager:Wie weit ist die Pharma- oder auch Biotech-Industrie mit der Umsetzung von PAT-Projekten bislang gekommen?

Dr. Torsten Schmidt-Bader: Die Resonanz der Pharmaindustrie auf die PAT-Initiative der FDA seit 2003 ist recht verhalten. Insgesamt liegen der FDA derzeit weniger als 30 PAT-Zulassungsanträge vor, darunter nur wenige Neuzulassungen. Dem BfArM liegt bis heute kein einziger PAT-Antrag vor! Wer PAT als System begreift, das in der Entwicklung eines Arzneimittels beginnt und über den robusten Herstellprozess das Know-how konsequent vermehrt, versteht, warum die große Revolution noch nicht stattgefunden hat. Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis neu entwickelte Arzneimittel ausschließlich nach „PAT“- Maßstäben zugelassen werden, wir stehen quasi immer noch in den Startlöchern. Im Übrigen hat die Biotech- Industrie PAT schon längst umgesetzt: Risikobasiert, mit hohem Prozessverständnis und auf aktuellen Stand der Technik. Allerdings ist die Dokumentation unverändert geblieben – bislang hört man wenig über Design Space und die versprochenen regulatorischen Freiheiten.

CHEManager:Welche Auswirkungen hat die Umsetzung von PAT im Hinblick auf die Automatisierung einschließlich der IT-Systeme in den entsprechenden Produktions- und Fertigungsanlagen?

Dr. Torsten Schmidt-Bader: Es waren nicht zuletzt die Vorwürfe der FDA an die Adresse der Arzneimittelhersteller, die zum Nachdenken über die eigenen Prozesse geführt haben. Insbesondere der Kostendruck auf die Produktionsstandorte ist einer der wesentlichen Treiber von PAT. Werden in Zukunft umfangreiche Qualitätsprüfungen während der laufenden Herstellung vorgenommen, bedeutet dies einen enormen Zuwachs an zusätzlichen Daten und intelligenter Steuerung. Die Automatisierung spielt hierbei eine zentrale Rolle für den Hersteller, z. B. bei der Speicherung freigaberelevanter Daten oder intelligenter Prozesssteuerung. Nach einem erfolgreich durchgeführten PAT-Projekt schließt sich logischerweise die Umsetzung an – und damit kommen die Zulassungs- und Inspektionsbehörden ins Spiel.

CHEManager: Wie sind die Zuständigkeiten der regulatorischen Behörden festgelegt? Inwieweit sind PAT-Systeme prüfbar oder inspektabel?

Dr. Torsten Schmidt-Bader: Im Wesentlichen haben große Pharmaunternehmen PAT-Projekte ins Leben gerufen, wenige sind bisher abgeschlossen und nur einige Firmen haben PAT in ihrer globalen Strategie verankert. Ich gehe davon aus, dass diese Unternehmen langfristig erfolgreicher sein werden, weil sie ihre Prozesse systematisch durchleuchten und kontinuierlich optimieren. Der große Vorteil dieser Unternehmen ist es, das sie die regulatorische Seite ausreichend beachten und mit den Behörden aktiv diskutieren. Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung von PAT ist die Änderung der bisherigen Zulassungs- und Inspektionspraxis wie auch die Praxis GMP-konformer Dokumentation z. B. mittels Electronic Batch Records angesichts hoher Datenmengen, multivariater Steuerungsmodelle und der Frage nach Validität in Produktions- und Freigabeprozessen. Es ist offensichtlich, dass Bund und Länder in Deutschland enger zusammenarbeiten müssen, entsprechende positive Ansätze gibt es bereits zwischen dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukt (BfArM) und den Regierungspräsidien. Im internationalen Kontext ist zu wünschen, dass sich die amerikanische Aufsichtsbehörde (FDA) und die EMEA in diesen Punkten deutlicher annähern. PAT wird dann der Durchbruch gelingen, wenn eine Neuzulassung eines „Global Players“ um mehrere Monate schneller abgeschlossen und der Markteintritt früher realisiert werden kann. Wenn PAT überhaupt Akzeptanz findet, dann nur über den globalen Wettbewerb durch time-tomarket.

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